Legal. Illegal. Scheißegal?
Legal. Illegal. Scheißegal?
„Illegale“ Jugendliche haben nichts zu lachen.
Illegalität ist kein Makel, sondern Unrecht: In Deutschland leben derzeit etwa eine Million Menschen ohne Aufenthaltspapiere, unter ihnen viele Kinder und Jugendliche. Sie führen ein angsterfülltes Leben in völliger Rechtlosigkeit und abgeschnitten von “normalem“ Alltag, weil ihnen ein sicherer Aufenthaltsstatus verwehrt wird. Die Illegalität von Kindern und Jugendlichen hat auf ihren Alltag einschneidende Auswirkungen: Sie können nicht in einen Sportverein eintreten, weil das Risiko, sich zu verletzen, zu hoch ist und sie nicht krankenversichert sind. Sie können nicht mit FreundInnen in den Urlaub ins Ausland fahren, weil sie nicht über die nötigen Papiere verfügen. In die Disco erhalten sie auch keinen Zutritt, weil sie nicht beweisen können, dass sie schon 18 sind. Und selbst der Schulbesuch – für alle anderen verpflichtend – wird ihnen vorenthalten.
Dabei ist Deutschland Unterzeichner der UN-Kinderrechtskonvention, in der das Recht aller Kinder auf Bildung anerkannt wird. Dieses gilt unabhängig vom Geschlecht, der Hautfarbe oder Herkunft einer Person, ihrer Religion und ihrem aufenthaltsrechtlichen Status.
Für Illegalisierte ergeben sich jedoch besondere Schwierigkeiten: um zur Schule zu gehen und nicht Gefahr zu laufen, von der Polizei entdeckt zu werden, ist es notwendig, eineN SchulleiterIn zu finden, der/die bereit ist, illegalisierte Kinder und Jugendliche auch ohne Meldung beim Einwohnermeldeamt, was normalerweise Vorraussetzung für einen Schulbesuch ist, aufzunehmen. Die Zahl dieser SchulleiterInnen ist gering. Nach § 76 Ausländergesetz sind SchulleiterInnen sogar verpflichtet, illegale SchülerInnen bei den zuständigen Behörden anzuzeigen. Selbst wenn eine Schule gefunden sein sollte, müssen sie “reibungslos funktionieren“. Sie haben keinerlei Möglichkeit, ihre Rechte gegenüber LehrerInnen oder der Schule durchzusetzen und sind so Ungleichbehandlung und im schlimmsten Fall sogar willkürlicher Gewaltanwendung durch Lehrkräfte schutzlos ausgeliefert. “Vorkommnisse“ wie z.B. Unfälle in der Schule, die bei “Legalen“ vollkommen unproblematisch sind, können für Illegalisierte zur existentiellen Bedrohung werden. Durch den folgenden Kontakt mit Behörden oder der Behandlung in einem Krankenhaus laufen sie Gefahr, gefasst und letztendlich abgeschoben zu werden. Auch finanziell ist der Schulbesuch für Illegalisierte schwer möglich: Geld ist nötig für Unterrichtsmaterialien, möglichst unauffällige Kleidung und Klassenfahrten. Dazu kommt, daß die sozialen Kontakte ebenfalls Gefahren bergen: die Herkunft der Eltern und der Aufenthaltsstatus müssen geheim gehalten werden und meist ist es nicht möglich, FreundInnen nach Hause einzuladen.
Mittlerweile werden immer mehr Kinder und Jugendliche gezwungen, ein “illegales“ Leben in Deutschland zu führen. Mit der Herabsetzung der Altersgrenze im Zuwanderungsgesetz wird der legale Zuzug immer mehr verunmöglicht. In Deutschland lebende MigrantInnen können nur Kinder unter 13 Jahren nachkommen lassen. Sollen ältere Kinder nicht allein in ihrem Herkunftsland zurückbleiben, sind sie zur “illegalen“ Einreise gezwungen. Angesichts dieser Lage bleibt nur die Schlussfolgerung: Papiere und gleiches Recht für alle! JedeR hat das Recht auf Ausbildung und angemessene finanzielle Unterstützung!
erschienen in:
Kein Mensch ist illegal! Magazin der Naturfreundejugend (2003))