Die fünfteilige Veranstaltungsreihe widmet sich schwerpunktmäßig einerseits stalinistischer Verfolgung in der DDR, die antisemitische Muster mobilisierte und gegen jüdische Kommunist_innen einsetzte und andererseits jüdischem Leben und Alltagsantisemitismus in der DDR.

Stalin hat uns das Herz gebrochen

#1Verfolgung jüdischer Kommunist*innen & Antisemitismus in der DDR

#2Vorspann

Extremismustheoretischen, antikommunistisch motivierten Ansätzen, Antisemitismus in der DDR zu erklären, soll eine Analyse entgegengesetzt werden, die Antisemitismus als herrschaftssichernde Ideologie begreift und deren Überwindung einfordert. Zudem wendet sich die Veranstaltungsreihe gegen den Versuch von konservativer Seite, Kritik am Antisemitismus in der DDR dafür zu nutzen, die Gedenkpolitik der Bundesrepublik von ihren Fehlern rein zu waschen und Nation und Kapitalismus zu legitimieren.

Im bundesdeutschen Gedenken haben Jüdinnen und Juden nur als Opfer antisemitischer Verfolgung Platz. Und auch nur dann, wenn sie sich nicht als Kommunist_innen begreifen.
Demgegenüber sollen in der Veranstaltungsreihe insbesondere die Lebensschicksale, Erfahrungen und Perspektiven jüdischer Kommunist_innen im Mittelpunkt stehen, wobei auch diejenigen einbezogen werden, die sich heute aufgrund ihrer Erfahrungen nicht mehr als solche bezeichnen wollen.

Voller Enthusiasmus remigrierten jüdische Kommunist_innen nach dem Sieg über Nazi-Deutschland in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ), um sich am Aufbau des Sozialismus zu beteiligen. Mit dem antifaschistischen und antikapitalistischen Selbstverständnis des jungen Staates galt es, das notwendig falsche Bewusstsein der Bevölkerungsmehrheit, die sich noch wenige Jahre zuvor für Nationalsozialismus, Antisemitismus und Rassismus begeistert hatte, zu überwinden. Doch die Bindung der SED an Stalin führte schnell zur bitteren Enttäuschung. Im Zuge der stalinistischen Säuberungen Anfang der 1950er Jahre wurden in den in Osteuropa stattfindenden Schauprozessen antisemitische Ressentiments mobilisiert. Auch in der DDR wurden Kommunist_innen durch ihre eigenen Genossinnen und Genossen aufgrund ihrer jüdischen Herkunft als „Zionisten“, „westliche Spione“ und „Kosmopoliten“ diffamiert.
Mit der Veranstaltungsreihe soll der Frage nachgegangen werden, die sich seit der Russischen Revolution immer wieder stellt: Wann und wo waren die Brüche, bei denen autoritäre Parteipolitik revolutionäre, emanzipatorische Positionen ausschloss und sich antisemitischer Rhetorik und Praxis bediente?

Voller Enthusiasmus reimgirierten jüdische Kommunist_innen nach dem Sieg über Nazi-Deutschland in die sowjetische Besatzungszone, um sich am Aufbau des Sozialismus zu beteiligen. Doch die Bindung der SED an Stalin führte schnell zur bitteren Enttäuschung.

#3»Stalin hat uns das Herz gebrochen«

11. Februar 2009, 19:00 Film & Vortrag

Der Film bildet den Auftakt zur gleichnamigen Reihe. Anschließend Anna Dost und Hannes Püschel: Historische Einordnung des Films, aktuelle deutsche Gedenkstättenpolitik und Totalitarismustheorie.

Der Film erzählt zunächst von der Hoffnung, die jüdische Kommunist¯innen mit der jungen DDR verbanden und zeigt schließlich die Trauer und die großen Enttäuschung, die für sie das Erleben der stalinistischen Säuberungen mit sich brachte. Die Dokumentation zeigt aber auch eine im »Supergedenkjahr 2009« einmal mehr ausgeblendete Perspektive auf deutsche Geschichte. Hierzulande gilt es neuerdings, die sogenannte »doppelte Vergangenheit« – NS und Realsozialismus – gleichermaßen aufzuarbeiten. Im Interesse der finalen Rehabilitierung der deutschen Nation als Aufarbeitungsweltmeisterin werden nationalso-zialistische Verbrechen relativiert.

#4Der Nationale Antisemitismus und seine Bedeutung im Staatssozialismus

24. Februar 2009, 19:00

Referent: Klaus Holz (Autor des Buches »Nati-onaler Antisemitismus. Wissenssoziologie einer Weltanschauung«).

Nach der Ideologie des Marxismus-Leninismus wird Antisemitismus im Namen von Klassenkampf und Internationalismus abgelehnt. Dennoch kam es mittels einer Tarnsprache zu einer Integration des modernen Antisemitismus. Jüdinnen und Juden wurden in doppelter Weise zu den Feinden des »werktätigen Volkes« erklärt: als Kosmopoliten stellten sie das Gegenprinzip von Volk/Nation dar, als Zionisten verkörperten sie den Imperialismus/Kapitalismus. Damit formierte sich ein antizionistischer Antisemitismus, der sich auch heute großer Beliebtheit erfreut.

#5»In mir oder nirgends«

11. März 2009, 19:00 Film & Gespräch

Anschließend Gespräch mit der Protagonistin Salomea Genie.

»Ich wollte nur eins: Eine deutsche Kommunis-tin sein und in der DDR leben«, so resümiert Salomea Genin ihren Entschluss, aus dem aust-ralischen Exil nach Deutschland zu remigrieren. Als überzeugte Kommunistin und Atheistin kam sie 1954 zunächst nach West-Berlin, um dann 1963 in die DDR überzusiedeln. Nach zwanzig-jähriger Mitarbeit als Informelle Mitarbeiterin des Ministeriums für Staatssicherheit brach sie 1982 mit dem Realsozialismus und wurde 1985 aktiv in der DDR-Opposition und in der jüdischen Gemeinde.

#6»Johanna – eine Dresdner Ballade«

25. März 2009, 19:00 / Film & Gespräch

Anschließend Gespräch mit Eva Nickel (Sozialbe-ratung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin)

»Da fiel mir alles, was ich in den Händen hatte, die Gläser und das Geschirr, herunter auf seinen Schoß […] Ich hatte den Mann, der mich um-bringen wollte, wiedererkannt.« Er war für Johanna Krause kein Unbekannter: Jahre zuvor hatte der jetzige SED-Parteisekretär Herbert Ostmann sie in SS-Uniform versucht zu vergewaltigen und zu ermorden. Als Überlebende von drei KZs war die 1907 in Dresden geborene Johanna mit ihrem Mann am Aufbau der DDR beteiligt und traf in ihrer Gaststätte auf ihren alten Peiniger. Es folgten antisemitische Attacken und letztlich der von Ossmann gegen sie veranlasste Parteiausschluss.

#7Perspektiven einer emanzipatorischen Erinnerungs- und Gedenkpolitik

8. April 2009, 19:00 / Diskussion

Referent: Olaf Kistenmacher (promoviert zu antisemitischen Stereotypen in der KPD der Weimarer Republik); Moderation: Bini Adamczak (Autorin des Buches »Gestern Morgen«)

In der Abschlussveranstaltung geht es im Rahmen der Beschäftigung mit der DDR um Perspekti-ven einer emanzipatorischen Erinnerungs- und Gedenkpolitik. Hierbei sollen die stalinistischen Säuberungen einbezogen werden, ohne die Shoah in ihrer Singularität zu relativieren oder für eine Rehabilitierung der Erinnerungspolitik der BRD her zu halten. Die Kritik an linkem Antisemitis-mus soll in einen größeren Zusammenhang gesetzt werden, der Herrschaft als solche thematisiert. Wie kann den Opfern stalinistischer Politik ge-dacht werden? Wie kann die Idee einer emanzipa-torischen, herrschaftsfreien bzw. kommunistischen Gesellschaft im Gedenken ihren Platz haben und was hieße das für die Zukunft?