Kundgebung vor bolivianischer Botschaft: „Gerechtigkeit für Andrea!“
Kundgebung vor bolivianischer Botschaft: „Gerechtigkeit für Andrea!“
28-Jährige in Bolivien von Ex-Partner ermordet / Polizei lässt Beweise verschwinden
Heute fand um 13 Uhr vor der bolivianischen Botschaft in Berlin ein spontane Solidaritätskundgebung unter dem Motto „Justicia para Andrea!“ (dt. „Gerechtigkeit für Andrea“) statt. Daran beteiligten sich ca. zwanzig Menschen. Vor drei Wochen, am 19. August 2015, wurde die 28-Jährige Andrea in La Paz von ihrem Ex-Lebenspartner und Arbeitsgeber William Kushner absichtlich überfahren. Sie hinterlässt eine 8-jährige Tochter. Kushner gehört zu einer der einflussreichsten und wohlhabendsten Familien in Bolivien. Er leugnet die Tat und spricht von einem „Unfall“ und dass dieser nun für feministische Politik instrumentalisiert werden würde. Der Obduktionsbericht hat jedoch eindeutig ergeben, dass Kushner ihr über den Kopf gefahren sein muss und die Verletzungen nicht von einem Sturz herrühren können. Mittlerweile verschwinden außerdem auf ominösen Wegen Beweise: So sind zum Beispiel die zur Tatzeit gemachten Aufnahmen der vier am Tatort installierten Videokameras nicht mehr auffindbar. Es gab bisher auch noch keine Beweismittelsicherung am Fahrzeug Kushners.
Die ermordete Andrea war die Tochter von Helen, einem aktiven Mitglied der feministischen Gruppe Mujeres Creando, mit der die Naturfreundejugend Berlin seit einigen Jahren in politischem Austausch steht. Es gab bereits zwei gegenseitige Besuche. Mujeres Creando ist es gelungen, in Bolivien eine breite Öffentlichkeit für den Fall zu erzeugen und daran die alltägliche Gewalt gegen und Mord an Frauen, die korrupten Strukturen und die verschleppten Ermittlungen der Polizei zu skandalisieren. Darüber hinaus kritisieren sie die Herabwürdigung der Ermordeten in den Medien. Der Fall hat bisher leider keine internationale Aufmerksamkeit erregt. Eine Sprecherin der NFJ Berlin:
„Wir solidarisieren uns mit der Mutter der Ermordeten und der Arbeit von Mujeres Creando. Es besteht die akute Gefahr, dass das Verbrechen wegen der guten Kontakte des Ex-Partners ungesühnt bleibt. Das darf nicht geschehen! Wir fordern von der bolivianischen Regierung eine lückenlose Aufklärung des Falles und damit Gerechtigkeit für die ermordete Andrea!“ Zirka sieben von zehn Frauen werden in Bolivien mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt. Damit zählt Bolivien zu einem der Länder mit der höchsten Rate von Gewalt gegen Frauen in Lateinamerika. In den meisten Fällen geht die Gewalt von (Ehe-)Partnern oder anderen männlichen Familienmitgliedern aus. Erst 2013 hatte die bolivianische Regierung das "Gesetz zum Schutz der Frauen für ein Leben ohne Gewalt" verabschiedet. Darin wurde der Tatbestand des Femizids im Strafgesetzbuch eingeführt und mit 30 Jahren Gefängnis ohne die Möglichkeit auf Bewährung sanktioniert, die höchstmögliche Strafe im bolivianischen Rechtssystem. Trotzdem werden in Bolivien immer noch über 150 Frauen jährlich ermordet, viele Fälle bleiben unaufgeklärt.