Abschiebung ins Niemandsland
Abschiebung ins Niemandsland
Ein Interview mit Gabriela Codreanu (Flughafen Bukarest)
Mit einer Linienmaschine der Lufthansa wurde die 21jährige Bonner Jura-Studentin Gabriela Codreanu gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder am 10. März 2003 nach Rumänien abgeschoben. Die staatenlose Familie lebt seitdem in der Wartehalle des Bukarester Flughafens Otopeni. Ihr Schicksal teilen weitere Staatenlose, unter ihnen die Familie Mogos, die seit März 2002 (!) auf ihre Rückkehr nach Deutschland hofft. Das Interview mit Gabriela wurde Anfang August 2003 per email geführt.
Gabriela, seit wann hast Du mit Deiner Familie in Deutschland gelebt? Welchen Status hattet Ihr?
Ich lebte mit meiner Familie seit dem 30. August 1990 in Deutschland. Damals war ich acht Jahre alt. Meine Eltern haben Asyl beantragt und auf die rumänische Staatsangehörigkeit verzichtet. Mit der Genehmigung unseres Antrags im Juli 1993 wurden wir staatenlos. Die Ausländerbehörde ignorierte aber unsere Staatenlosigkeit und betrachtete uns lediglich als abgelehnte Asylbewerber. Da auf Grund des von Deutschland unterzeichneten internationalen Staatenlosenabkommens von 1954 kein Staatenloser abgeschoben werden darf, wurden uns bewusst falsche Papiere ausgestellt. Statt uns als staatenlos anzugeben, wurde auf den Papieren für die Abschiebung „rumänischer Staatsangehöriger“ vermerkt.
Wie kam es dann zu Eurer Abschiebung?
Am 10. März 2003 wurden wir morgens um ca. 5.30 Uhr von über einem Dutzend Polizisten überrascht. An diesem Tag hatten wir einen Termin vor dem Verwaltungsgericht, um den einige Tage zuvor eingereichten Antrag auf Aussetzung der Abschiebung zu begründen. Die Polizei versicherte uns, dass wir zum Gericht fahren würden. Für den Fall der Ablehnung unseres Antrags sollten wir noch mal in unsere Wohnung zurück kehren können, um ein paar Sachen zu packen. Wir wurden allerdings nicht zum Gericht gebracht, sondern direkt zum Frankfurter Flughafen. Dort teilte man uns mit, dass das Gericht gegen uns entschieden hätte und wir jetzt abgeschoben würden.
Nach einer Leibesvisitation schleiften uns mehrere Bundesgrenzschutz- Beamte gewaltsam in das Flugzeug. Dort angelangt, haben wir dem Piloten und der Crew zugeschrien, dass wir keine rumänischen Staatsangehörigen sind und wir uns weigern, nach Rumänien zu fliegen. Meine Mutter fragte auch den Piloten noch einmal, ob die Lufthansa sich nicht verpflichtet habe, keine Abschiebungen durchzuführen, die gegen den Willen der Betroffenen stattfinden. Doch der Pilot drehte sich einfach nur um und ging ins Cockpit.
Nach der Landung haben wir uns geweigert, rumänisches Territorium zu betreten. Doch auch hier wurden wir gewaltsam aus der Maschine gezerrt.
Wie ist Eure derzeitige Situation?
Seit dem 10. März leben wir in der Wartehalle des Bukarester Flughafens Otopeni. Unsere derzeitige Situation ist für viele wahrscheinlich schwer vorstellbar. Wir schlafen auf dem Zementboden, können uns nur hin und wieder an einem Waschbecken waschen. Es ist eine Art offener Big Brother-Container, ohne die geringste Privatsphäre. Das Geld ist mehr als knapp. Die letzten fünf Monate konnten wir nur auf Grund der Hilfe unserer deutschen Freunde und einiger Organisationen überleben. Immer wieder haben wir Probleme mit der Polizei. Wir werden abwechselnd für einige Stunden festgenommen, eingeschüchtert und bedroht. Dabei wurden uns letzte Woche auch unsere Kleidung und Decken weggenommen. Erst eine Woche später haben wir die Sachen wieder bekommen!
Inzwischen haben auch alle Flughafenangestellten, die mit uns Kontakt hatten oder uns geholfen haben die Anweisung erhalten, sich von uns fernzuhalten. Wer sich nicht daran hält, verliert seinen Job!
Was habt Ihr bereits dagegen unternommen?
Eigentlich müssten wir gar nichts unternehmen. Alles, was wir verlangen, ist, dass geltende Abkommen und Gesetze eingehalten werden. Wir hätten gar nicht abgeschoben werden dürfen! Dennoch haben wir schriftlich Beschwerde bei den entsprechenden deutschen Stellen (Grenzpolizei, Innen-, Außen-, Justizministerium, Ministerpräsident etc.) eingelegt. Außerdem haben wir in Rumänien Klage eingereicht und Strafanzeige gegen die Grenzpolizei gestellt, die uns illegal auf das rumänische Territorium gebracht hat. Das rumänische Gesetz sieht vor, dass Staatenlose nur mit einem bei der rumänischen Botschaft freiwillig beantragten Visum in Rumänien einreisen können. Das haben wir nie getan. Wir halten uns also seit fünf Monaten illegal hier auf. Eigentlich müssten wir deswegen nach Deutschland abgeschoben werden. Wenn weder der Rechtsweg in Deutschland, noch in Rumänien erfolgreich sein sollte, dann werden wir vor den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.
erschienen in:
Submarine 2003-2
.