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Wir erleben deutschlandweit zunehmende rassistische Mobilisierungen gegen Unterkünfte von Asylsuchenden, gegen Einwanderung und seit Ende 2014 gegen eine vermeintliche Islamisierung der Gesellschaft. Diese breite gesellschaftliche Mobilisierung wird auch von Todesdrohungen, Brandanschlägen und vielen weiteren Übergriffen begleitet. Mit Veranstaltungen und Demonstrationen engagieren wir uns gegen Rassismus in Staat und Gesellschaft.
demob – deutschland demobilisieren
Eure Sorgen sind Rassismus
Seit Herbst 2014 erleben wir erneut eine drastische Zunahme rassistischer Mobilisierungen und Angriffe in Deutschland: Rassistische »Bürgerinitiativen« entstehen an vielen Orten, Aufmärsche mit mehreren hundert bis mehreren tausend Menschen finden mehrmals pro Woche in vielen deutschen Städten statt. Diese rassistische Massenbewegung ist in ein politisches Klima eingebettet, welches sich durch eine repressive Politik gegenüber Geflüchteten auszeichnet. Parteien von der CDU bis zu den Grünen gehen gegen selbstorganisierte Strukturen von refugees vor und bringen neu ankommende Geflüchtete unter immer widrigeren Bedingungen in Containern und Hallen unter.
Seit einigen Monaten beschäftigt sich unsere Kampagne mit der zunehmenden Entstehung von rassistischen Initiativen in Deutschland. Menschen finden sich in selbsternannten Bürgerbewegungen zusammen um gegen neu entstehende Unterkünfte von Geflüchteten mobil zu machen oder gegen eine vermeintliche Islamisierung zu hetzen. Es kommt zu wöchentlichen Mobilisierungen, die beständig anwachsen, in Berlin beispielsweise in Marzahn und Hohenschönhausen. Unter dem Titel »Handeln statt Klagen« findet derzeit eine berlinweite Vernetzung statt. Sie dient als Ausgangspunkt für gemeinsame Aktionen unterschiedlicher »Bürgerinitiativen« und neonazistischer Organisationen. Unter dem Label »Nein zum Heim!« oder »Pegida«, gehen scheinbar unpolitische Bürger_innen mit organisierten Nazis Allianzen ein. Dabei unterscheiden sich die Aktivitäten der Bürger_innen aus der so genannten »Mitte der Gesellschaft« inhaltlich und praktisch kaum von denen der Nazis. Wir erleben gerade das Entstehen einer rassistischen Massenbewegung in Deutschland, der wir uns konsequent entgegenstellen müssen.
Kennzeichnend für diese rassistischen Initiativen ist, dass sie zumeist über Facebook-Seiten an die Öffentlichkeit treten. Dort finden sich schnell Tausende Likes zusammen. Damit wird eine virtuelle Plattform geschaffen, die zur Verbreitung von Informationen dient. Über solche Plattformen wird aber zusätzlich das Gemeinschaftsgefühl gestärkt und darüber hinaus eine Handlungsbereitschaft erzeugt. Das Gefühl der (Facebook-) Gemeinschaft kann Stärke verleihen. Diese digitale Mobilisierung wird meist von direkten und öffentlichen Aktionen begleitet: Flugblätter werden in der Nachbarschaft verteilt, es kommt zu Versammlungen vor (geplanten) Massenunterkünften oder den Bezirksparlamenten, zu Hetze auf bezirklich organisierten »Informationsveranstaltungen « und zu direkten Angriffen bis hin zu Brandanschlägen und Mordversuchen. Im Anschluss an die »Pegida«-Demonstration am 22.12.2014 in Dresden kam es zu einem Angriff auf eine Gruppe von migrantischen Jugendlichen durch Demonstrationsteilnehmer_innen, u.a. durch den Einsatz von Tasern und Schlagstöcken. Anwesende Passant_innen und andere »Pegida«- Teilnehmer_innen sahen zu und klatschten Beifall.
In fast allen Fällen beziehen sich die rassistischen Initiativen auf vermeintliche »Ängste und Sorgen der Bevölkerung« um ihre Aktionen zu rechtfertigen. Es wird behauptet, der Zuzug von Geflüchteten führe zu einer Zunahme von Müll, Lärmbelastung, erhöhter Kriminalität und einer Gefahr für Kinder. Medien und Politiker_innen aller Parteien gehen auf diese vermeintlich »berechtigten Sorgen und Ängste der Bürger« ein, anstatt sie als das zu benennen, was sie sind: Rassistische Bilder über Menschen, die vermeintlich nicht zur deutschen Gesellschaft gehören. Diese Ablehnung begründet sich in der Vorstellung einer weißen Volksgemeinschaft, die sich bedroht sieht durch den Zuzug von vermeintlich Anderen. Anstatt die rassistische Grundstimmung in der deutschen Gesellschaft als Problem zu benennen, bemängeln Lokalpolitiker_innen eine unzureichende Informationspolitik, welche Anwohner_innen verunsichern würden. Wir sagen jedoch: Nicht die »Sorgen und Ängste« gilt es ernst zu nehmen, sondern den Rassismus der deutschen Mehrheitsbevölkerung! Nicht das Fehlen von »Informationsveranstaltungen« ist das Problem, sondern dass rassistische Einstellungen als »berechtigte Ängste und Sorgen« verharmlost werden! Viele Bürger_innen treffen bewusst die Entscheidung, mit Nazis und anderen Rassist_innen gemeinsame Sache zu machen!
Gleichzeitig verschärfen die Parteien von CDU bis Grünen die Repression gegen selbstorganisierte Strukturen von Geflüchteten. Dies zeigt sich beispielsweise am Umgang von Politiker_innen mit der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin oder den Hungerstreiks in München. Selbstorganisierte Kämpfe von refugees zur Verbesserungen ihrer Lebensqualität werden kriminalisiert und abgewertet. Die – aufgrund des weit verbreiteten Rassismus in der deutschen Bevölkerung – realen und berechtigten Sorgen und Ängste der Geflüchteten um ihre physische und psychische Unversehrtheit werden ignoriert. Ihre Kämpfe gegen Massenunterbringung und alltäglichen Rassismus werden bewusst übergangen. Stattdessen werden Asylsuchende unter immer widrigeren Bedingungen in Containern und Hallen zusammenzupferchen. Dass dies in Berlin derzeit in NPD-Hochburgen geschieht, zeugt entweder von massiver politischer Ignoranz oder bewusster Hinnahme einer rassistischen Eskalation.
Rassist_innen fühlen sich in einer solchen Situation als Vertreter_innen eines »Volkswillens«. Dieser zielt darauf ab, die menschenfeindliche »Flüchtlingspolitik « in Deutschland noch zu verschärfen und das mit Erfolg: CDU, CSU und SPD setzten in den letzten Monaten verschiedene Forderungen der rassistischen Mobilisierungen um. Die jüngste Änderung des Asylrechts und die Einführung von polizeilichen Sondereinheiten für »straffällige Asylbewerber « in Sachsen sind nur zwei Beispiele dafür. Mit den Bildern der Pogrome von Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992 in unseren Köpfen blicken wir erschrocken auf all die Orte, an denen wieder Brandsätze auf Geflüchtetenunterkünfte geworfen werden. Rassistische Mobilisierungen mit mehreren tausenden Teilnehmer_innen erfüllen uns mit Sorge und Wut! Die Pogrome in den 90ern zeigten deutlich, welche Gefahr von einer solchen arbeitsteiligen rassistischen Dynamik ausgeht! Deshalb sagen wir es noch einmal ganz deutlich: Die vermeintlichen »Sorgen und Ängste« der Bevölkerung sind nichts anderes als Rassismus und daher konsequent abzulehnen! Den rassistischen Konsens angreifen! Deutschland entsorgen! Wir rufen alle emanzipatorisch gesinnten Menschen auf, den rassistischen Mobilisierungen in aller Deutlichkeit entgegenzutreten:
Was tun?
• Informiert Euch frühzeitig über (neu entstehende) Massenunterkünfte für Geflüchtete in Euren Stadtteilen und beobachtet die Stimmung in der Nachbarschaft, um schnell einschreiten zu können!
• Macht euer Wissen öffentlich zugänglich, helft anderen bei der Störung rassistischer Vergemeinschaftung!
• Interveniert auf den Facebook-Seiten der »Bürgerinitiativen«, stört die gemeischaftsbildende Einheit, bringt ihre Diskussionen durcheinander, fordert die Sperrung ihrer Seiten!
• Lasst rassistische Hetze nicht unwidersprochen, ob auf Anwohner_innen- Veranstaltungen der Bezirke, auf Treffen der »Bürgerinitiativen«, bei Unterschriftensammlungen oder auf Nazi-Kundgebungen: Mobilisiert, geht hin, mischt Euch ein und stört die Rassist_innen!