submarine zum Thema "Doofe Schule"

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Bildungspolitik & Schulkritik submarine zum Thema "Doofe Schule"

Komplizierte Dinge hinter einfachen Buchstaben:

Wir haben uns dafür entschieden im Text Schwarz und weiß anders zu schreiben, als ihr das vielleicht aus der Schule gewöhnt seid. Irgendwann lernen die meisten einmal im Deutschunterricht: Adjektive sind als Eigenschaftswörter klein und als Substantive groß zu schreiben. Wie ist das nun aber bei Menschen? Sind die schwarz oder weiß? Eher selten. Die meisten Menschen haben Hautfarben, die irgendwo zwischen Puterrot und Dunkelbraun liegen. Bei vielen wechselt das auch mal, je nachdem in welcher Stimmung oder körperlichen Verfassung sie gerade sind.

Trotzdem sind bis heute die meisten Menschen in der Lage relativ schnell andere Menschen als Schwarze oder Weiße einzuordnen. Das kommt wie folgt: Die Unterscheidung von Menschen in Schwarze und Weiße ist ein Erbe von Sklaverei, Kolonialismus und „Rassentrennung“ in den USA. Schwarz und weiß sind also erst einmal ganz abstrakt Unterscheidungen, die besagen, wer von Rassismus betroffen ist und wer Rassismus ausüben kann. In der Wissenschaft nennt man das: „soziale Konstruktion.“ Damit ist gemeint, dass etwas, was irgendwann einmal entstanden ist, uns heute als eine ganz selbstverständliche, natürliche Eigenschaft erscheint.

Das erklärt aber nur, warum wir beide Wörter nicht wie „Eigenschaftswörter“ schreiben. Warum schreiben wir das eine kursiv und andere groß? Bei weiß soll die Kursivsetzung zeigen, dass es wie erläutert nicht um Farbe geht. Bei Schwarz soll die Großschreibung zusätzlich einen Unterschied verdeutlichen. Die Bezeichnung als Schwarz ist trotz ihres kolonialen Erbes keine Bezeichnung, die auf einen reinen Status als „Opfer“ verweist. Sie ist gleichzeitig eine Bezeichnung, die eine Geschichte des Widerstandes in sich trägt. Seit es Rassismus gibt, gibt es Menschen, die sich mit diesem Begriff identifizieren oder organisieren. (Dies erkennt man z.T. an den Namen, die sich Organisationen gegeben haben: Black Panther in den USA oder Initiative Schwarze Deutsche in der Bundesrepublik.) Somit gibt es einen Unterschied: während der Begriff weiß ein Begriff ist, der rassistische Täterschaft beinhaltet, verweist der Begriff Schwarz auf Widerstand. Das wollen wir mit der Schreibweise deutlich machen.

• Auch in der geschriebenen Sprache ist es wichtig, nicht-männliche Positionen sichtbar zu machen. Deshalb verwenden wir in unserem Text eine gegenderte Schreibweise. Allerdings benutzen wir dafür den Unterstrich und nicht das große I. Denn der Unterstrich macht im Gegensatz zum großen I deutlich, dass es mehr als zwei Geschlechter und Geschlechterrollen gibt. Frauen, inter- und transsexuelle Menschen und Menschen, die sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnen wollen sind eben nicht im üblichen Sprachgebrauch „einfach mitgemeint“, Durch die Verwendung des Unterstrichs wollen wir die Reproduktion von Zweigeschlechtlichkeit auf schriftlicher Ebene umgehen. Vgl.: Kitty S. Hermann: „Performing the Gap – Queere Gestalten und geschlechtliche Aneignung“, in: arranca!, Nr. 28, November 2003, Berlin, S. 22-25. Im Internet zu finden unter:
arranca.nadir.org/arranca/article.do?id=245
ARTIKEL 1:

TITEL: Die Schule als Betriebspraktikum der Gesellschaft

Wer kennt diese Situation nicht? Ein langweiliger Schultag wird unterbrochen durch die Rückgabe einer Klassenarbeit oder Klausur. Ein aufregendes Erlebnis, für manche im positiven und für manche im negativen Sinne. Alle wollen unbedingt wissen, was für eine Note sie bekommen haben, der Rest, wie z.B. die Notizen der Lehrerin oder die eigenen Fehler, die man gemacht haben soll, interessieren erst einmal weniger. Wichtig ist die große rote Note, die drunter steht. Und dann kommt das unvermeidbare Vergleichen: Welche Note hast du bekommen? Aha, wie viele Punkte mehr oder weniger als ich? Alle freuen sich, wenn sie die bessere Note haben und sind frustriert oder unglücklich, wenn diesmal oder schon wieder nur eine Vier drin war. Das zieht nämlich oft Ausgehverbot am Wochenende oder ähnliches nach sich. Und das ist immer ärgerlich.

Dann wird noch der Notenspiegel an die Tafel geschrieben. Aha, Durchschnitt 2,8. Nicht das Beste, sagt die Lehrerin, aber im Bereich des Erträglichen. Die drei Fünfen sind natürlich nicht so schön. Eine alltägliche Situation, doch...

Was passiert hier eigentlich?

Notengebungen lösen bei fast allen Schüler_innen Konkurrenzdenken aus. Und es kommt ja auch von überall her Druck: Von den Eltern oder anderen Verwandten, die viel mehr erlauben, wenn in der letzten Klausur eine gute Note geschrieben wurde, vielleicht sogar Geld zahlen oder etwas Schönes schenken. Bei einer schlechten Note erwarten eine_n Moralpredigten, Verbote und die Gefährdung einer entspannten Beziehung zu den Erziehungsberechtigten.

Auch die Lehrer_innen behandeln die Schüler_innen, die bessere Noten schreiben, respektvoller und sind eher zu Diskussionen oder Ähnlichem bereit als bei Schüler_innen, die nicht so gute Noten schreiben. Immer wieder reiben sie einem_r die verheerenden Folgen unter die Nase, die aus einer schlechten Note resultieren könnten und auch von ihnen kommen Predigten darüber, wie faul alle mal wieder waren...

Doch auch die Mitschüler_innen selbst stecken eine_n schnell in eine bestimmte Schublade, wenn man eine bestimmte Note schreibt, ist er_sie gleich dumm oder der_die Streber_in. Da so viel von den angeblichen Leistungen in der Schule beeinflusst wird, ist das eigene Selbstwertgefühl davon fast immer abhängig. Diejenigen, die gute Noten hervorbringen, sind oft zufrieden mit sich, wer nicht so gute Noten schreibt, ist häufig frustriert.

Nicht für die Schule sondern für das Leben lernen wir!?

So falsch uns dieser Ausspruch bei all den absurden Lehrinhalten, die wir täglich in uns reinpauken, auch vorkommen mag, enthält er doch eine wahre Aussage über das Verhältnis von Schule und Gesellschaft. Schule existiert nicht im luftleeren Raum – Lehrinhalte, Methoden, Noten, Leistungsdruck und Konkurrenz sind kein Selbstzweck.

Wenn wir eine schlechte Note bekommen, fürchten wir zunächst die Schelte unserer Eltern und Lehrer_innen und die Druckmittel, die sie in Anschlag bringen werden, um uns zu mehr Leistungen, Konzentration und Lerndisziplin zu zwingen. Die Befürchtungen, die sie dazu bewegen und die uns hin und wieder selbst im Nacken sitzen, gehen darüber hinaus. Noten und Schulabschlüsse bestimmen später welche Chancen die Einzelnen haben werden – zu studieren, eine Ausbildung ihrer Wahl zu machen, eine anerkannte und gut bezahlte Beschäftigung auszuüben usw.

Die Guten ins Töpfchen die Schlechten in Kröpfchen…

In der Schule wird vorprogrammiert wer einmal wie viel schuften muss, um okay leben zu können. Die Schule hat die wichtige Aufgabe zu sortieren, wer letztlich mehr, weniger oder keine gesellschaftliche Anerkennung zu erwarten haben wird. Dabei zeigen gerade die Struktur des mehrgliedrigen Schulsystems, die Kursaufteilung in Gesamtschulen und das Bestreben einer Normalverteilung aller Noten von 1 bis 6 in einer Klasse, dass gesellschaftlich und bildungspolitisch kein Interesse daran besteht, allen Menschen eine möglichst gute Ausbildung und ein möglichst breites Wissen zu vermitteln. Sondern dass das Ziel gerade darin besteht, Unterschiede herzustellen. So werden die im Kapitalismus übliche Arbeitsteilungen (von der Reinigungskraft bis zu den Abteilungsleiter_innen/Manager_innen) und Bevorteilung sozialer Schichten und Gruppen gegenüber anderen durch Schule nicht nur nicht aufgebrochen, sondern hergestellt und verfestigt.

Die andere Seite der Lehrpläne

Schließlich setzt die Schule in ihrer Funktion als Lebenschancen-Verteilerin aber eine ganze Reihe von Verhaltensweisen durch, die über das Leistungs- und Konkurrenzfähig-Machen der Schüler_innen hinausgehen. In der Schule lernen wir, uns anzupassen und gehorsam gegenüber Autoritäten zu sein. Uns wird beigebracht, in anderen gesellschaftlichen Bereichen, z.B. gegen Chefs im Betrieb oder Büro oder gegen Beamte und Behörden des Staates später einmal nicht aufzumucken. Wir lernen unkritisch zu sein gegenüber Inhalten und Hierarchien. Das bedeutet auch, dass wir Normen, Bilder und Vorstellungen verinnerlichen, die uns in Unterricht und Schulbüchern vermittelt werden.

Jede_r ist seines_ihres Glückes Schmied_in?!

Wer schlechte Noten hat oder gar seinen_ihren Schulabschluss nicht schafft, dem_der wird vermittelt, sie_er trage letztlich selbst Schuld daran. Schließlich hätte sie_er ja mehr Zeit fürs Lernen aufwenden oder sich mehr Mühe geben können. Anderen wird vermittelt, es sei für sie anscheinend eh besser, eine Ausbildung zu machen anstatt zu studieren. Oder, dass ihnen für bestimmte Tätigkeiten und Aufgaben, die sie interessieren, leider die nötige Begabung fehle. Pech also? Schicksal?

Bewertungen in der Schule geben vor objektiv zu urteilen über Intelligenz, Fähigkeiten und Begabungen. Es ist also nicht verwunderlich, dass Noten uns auch entgegen unseren Bedürfnissen und sonstigen Wahrnehmungen vermitteln wer wir sind, was wir können und wie viel das wert ist. Uns wird damit aber auch vorgemacht, dass gesellschaftliche Ungleichheit in der Natur der Verschiedenheit von Menschen bzw. an der Faulheit einiger liege. Im bestehenden Schulsystem geht es aber nicht darum, nach den Bedürfnissen der Einzelnen zu fragen und allen durch den Zugang zu Wissen ein größeres Maß an Freiheit und Selbstbestimmung zu geben.

Schule verändern heißt Gesellschaft verändern!

Deshalb richtet sich unsere Kritik nicht einfach nur gegen Noten, Leistungsdruck und Schulzwang, sondern auch gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Schule zu der Institution machen, die sie heute ist. Wir wollen keine Lernfabrik! Wir fordern die Abschaffung der Schule in ihrer derzeitigen Form!

Für ein herrschaftsfreies selbstbestimmtes Lernen!

ARTIKEL 2:

TITEL: Von Leerstellen und Lehrbüchern. Die Behandlung des deutschen Kolonialismus in Geschichtsbüchern

VORSPANN: Das Deutsche Reich war seit 1884 offiziell Kolonialmacht, Preußen hielt zwischen 1682 und 1720 koloniale Gebiete in Westafrika. In Deutschen Schulbüchern kommt diese Epoche entweder gar nicht oder nur in verharmlosender Form vor.

Die deutsche Kolonialgeschichte prägt die deutsche Politik bis heute. Die Themen sind vielfältig. Seien es die von der Bundesregierung abgelehnten Entschädigungsforderungen für den von den Deutschen zwischen 1904 und 1907 im heutigen Namibia verübten Völkermord an den Herero und Nama, sei es der Kampf von Nachfahren der von deutschen Männern mit afrikanischen Frauen gezeugten Kinder um die deutsche Staatsbürgerschaft. Diese wird ihnen mit Verweis auf das kolonial geprägte Staatsangehörigkeitsrecht bis heute nicht zugebilligt. Dass diese Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden, hat sicher auch mit einem Geschichtsbild zu tun, das den deutschen Kolonialismus entweder ganz ausblendet oder ihn als eine kurze, unbedeutende Epoche abtut.

Bismarckreden und Schulstatistiken

Wo in deutschen Schulbüchern Kolonialismus thematisiert wird, finden sich zur Illustration häufig Reden von deutschen Politikern wie Otto von Bismarck. Was die abgewogenen Worte des Reichskanzlers für die Realität der kolonisierten Afrikaner_innen und Asiaten_innen bedeuteten, bleibt dabei allerdings unklar. Die breite koloniale Begeisterung in Deutschland, die mit der Etablierung bis heute wirkender rassistischer Vorstellungen über Afrika und Asien einherging, wird mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen soll man anhand einer Statistik diskutieren, „welchen Nutzen [...] die Schulbildung für die Afrikaner und welchen für die Kolonialmacht“ hatte. Die Zahlen stammen aus einem Buch von 1914 und sind selbst Teil kolonialer Propaganda, die behauptete, Schulen würden zum Nutzen der Kolonisierten errichtet.1 Da dieser Zusammenhang nicht mal ansatzweise problematisiert wird, fällt es schwer, hierin etwas anderes als die unterschwellige Fortsetzung kolonialer Propaganda im 21. Jahrhundert zu sehen.

Viele spannende Fragen werden hingegen nicht gestellt. Wie zum Beispiel die nach den geraubten Kunstgegenständen aus Afrika und Asien, die noch heute die Ausstellungen und Magazine deutscher Museen füllen. Und die rassistisch motivierten Beiträge zu den Reichstagsdebatten, wie man verhindern kann, dass Schwarze Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen? Auch über sie erfährt man in deutschen Schulbüchern nichts.

Koloniale Verleugnungsstrategien

Wenn man einschlägige Hilfsmittel zur Vorbereitung auf die Abitur-Prüfungen zur Hand nimmt, bekommt man sogar den Eindruck, deutschen Kolonialismus habe es nie gegeben.2 Und wo von dieser Unterschlagung abgewichen wird, erfahren wir lediglich: Bismarck wollte keine Kolonien „erwerben“, vielmehr waren es deutsche Kaufleute, die ihn dazu brachten.3 Kein Wort über die deutsche Kolonialbewegung, die nicht nur Handel betreiben, sondern ein Auffangbecken für die Auswanderung schaffen wollte, an die Ausgewähltheit und Sendung der eigenen Nation glaubte und innenpolitische Probleme „nach außen“ gewendet zu lösen trachtete. Der deutsche Kolonialismus war nicht einfach die Machenschaft einiger Handelsleute, er war Teil eines sich auf alle Bereiche der Gesellschaft erstreckenden Projekts. In Kunst, Medizin, Recht und Architektur, um nur einige Beispiele zu nennen, lassen sich bis heute tiefe Spuren dieser Vergangenheit ablesen.

Die Gegenwart des deutschen Kolonialismus

Was hat also der deutsche Kolonialismus mit der Gegenwart zu tun? Sehr viel, aber auch darüber erfahren wir in einschlägigen Unterrichtsmaterialien nichts. Durch koloniale Ausbeutung wurden auch die kolonisierten Gesellschaften als ganze geprägt: die Entwicklung ihrer Bevölkerung,