FC Germania

„Ich möchte in Deutschland nicht um Asyl bitten müssen.“

Anthony Yeboah, ehem. Bundesligaprofi

Beim Länderspiel der DFB-Auswahl der Männer gegen die Slowakei am 3. Sep­tember 2005 gelang es deutschen Nazis, ihre Parolen über die Außen­mikrofone in die Wohnzimmer der Fern­seh­zuschauerInnen zu grölen. „SS SA Germania“, „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ wurde lauthals skandiert und auch eindeutig rassistische Parolen wie „Zick-Zack Zigeuner­pack“ oder „uhuhuh“-Rufe in Richtung der Schwarzen Spieler der DFB-Mannschaft waren aus der deutschen Ecke hören.

Rassismus im Stadion geht aber nicht nur von Nazis aus. Zwar benutzen diese gezielt Fußball und Fankultur, um für sich zu werben und neue AnhängerInnen zu rekrutieren, etwa indem sie kostenlose Fanzeitschriften oder ähnliches mit politisch eindeutigen Inhalten verschenken. Doch sowohl rassistische Gesänge als auch Affenlaute angesichts schwarzer SpielerInnen ertönen nicht nur von den braunen Rängen. Deutschlands höchstoffizielle Fußballrepräsentanten geben den rassistischen Kurs vor. So weiß Franz Beckenbauer: „Wir Deutschen haben etwas im Blut, um das uns die ganze Welt beneidet. Wir geben nie auf.“ Und DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder variiert das völkische Motiv soziobiologisch, wenn er pseudowissenschaftlich analysiert: „Der südamerikanische und afrikanische Fußball haben genetisch andere Voraussetzungen.“

Rassen auf dem Rasen

Während die Nazis und die offensichtlich rassistischen Parolen die oberen Spielklassen verlassen haben, weil diese von den Vereinen und deren OrdnerInnen wegen der möglichen Imageschädigung nicht mehr geduldet werden, hat sich an den üblichen Kommentaren und den gängigen Analysen, wie sie im Fernsehen und anderen Medien verbreitet werden, nichts geändert. Nach wie vor gilt im Fußballstadion eine ganz besondere Rassenlehre. Die Art und Weise, wie Fußball gespielt wird, ist demnach noch ganz an die Zugehörigkeit zu einer vermeintlichen Rasse gebunden. Schwarze SpielerInnen sind „laufstark“ aber oftmals „zu verspielt“ und „taugen nicht zu FührungsspielerInnen oder SpielgestalterInnen“. AsiatInnen „fehlt der Zug zum Tor“, sie sind aber „hochgradig diszipliniert“ und „kämpfen bis zur Erschöpfung“. Schade, dass sie im Vergleich zu anderen über eine eher „schwache Physis“ verfügen. SüdamerikanerInnen sind stets „brillante TechnikerInnen“, jederzeit in der Lage, ein entscheidendes Dribbling zu zeigen oder einen Traumpass zu spielen. Doch auch sie sind „zu verspielt“, oftmals „zu eigensinnig“ und letztlich „undisziplinierte IndividualistInnen“. Die Weißen FußballerInnen verkörpern entsprechend dieser rassistischen Weltsicht die Normalität, sind am ehesten als Individuen erkennbar, die aber auch hinter ihrer nationalen Identität verblassen. Abweichungen von dieser Zuschreibung, etwa der „deutsche Brasilianer“ Bernd Schneider oder der Abwehrchef Rigobert Song aus Kamerun, relativieren diese rassistische Praxis nicht, sondern betonieren sie vielmehr, werden sie doch stets mit dem Impetus der Verwunderung formuliert, Verwunderung über die Ausnahme von der Regel.

Nationalrassismus

In Nationalmannschaften funktioniert der Rassismus anders als in Clubmannschaften, die aus Spielern verschiedener Herkunft zusammengesetzt sind. So fällt es leicht, die rassistischen Zuschreibungen mit vermeintlich objektiven Spielweisen und –positionen zu verknüpfen. Bei Nationalmannschaften gehören die SpielerInnen aber in der Regel alle dem gleichen imaginierten rassischen Kollektiv an. Dementsprechend werden bei der diesjährigen Fußball-WM der Männer in Deutschland zusätzlich zu einzelnen Spielern auch die verschiedenen Mannschaften selbst Objekte rassistischer Zuschreibung werden. Bei Weltmeisterschaften oder Olympiaden stehen sich nicht nur Nationen gegenüber, die ihre Überlegenheit unter Beweis stellen wollen. Innerhalb des vorherrschenden Denkens, in dessen Logik Nationalstaaten idealerweise eine Einheit von Territorium, Volk und Nation verkörpern, konkurrieren demzufolge auch „Rassen“ oder „Ethnien“ miteinander oder, nach Ansicht eines Mayer-Vorfelder, die Gene.

Das Stadion in der Gesellschaft

Die Identifikation der Fans mit ihrem Verein ist in kaum einer Sportart so intensiv und verbreitet wie im Fußball. Dazu gehört die Abgrenzung gegenüber den Fans anderer Vereine, besonders gegen die des Erzrivalen. Diese Gegnerschaft wird bisweilen handgreiflich außerhalb des Stadions, vor allem aber durch Fangesänge im Stadion ausgetragen. Diese zielen auf die Beleidigung und Degradierung der gegnerischen Mannschaft, einzelner SpielerInnen oder der Fans ab. Hierbei werden Begriffe verwendet, die seitens der Fans mit geringem gesellschaftlichen Status und Ansehen verbunden werden, wie zum Beispiel „Asylant“, „Neger“ oder „Zigeuner“. Unverhohlener Rassismus dient hier zur Provokation des Gegners. Dabei findet im Stadion eine besondere Form der Vergemeinschaftung unter den Fans statt. Die Erniedrigung des Gegners bestätigt die Homogenität und Zusammengehörigkeit der eigenen Gruppe. Für die Auseinandersetzung gelten veränderte kulturelle Regeln. Im Schutz der Masse im Stadion und durch ihre Emotionalität beflügelt werden Parolen gebrüllt, die immer schon gesagt werden wollten. Fußball ist nicht zwingend rassistisch, aber im Stadion bahnt sich der Rassismus der Fans seinen Weg. Die hier transportierten Auffassungen und Handlungsweisen sind eng mit den gesellschaftlichen Verhältnissen verknüpft. Die Dschungellaute im Stadion kondensieren zu der Gesellschaftsanalyse eines Otto Rehagel (Trainer): „Die Neger nehmen uns die Arbeitsplätze weg.“ Auch andere gesellschaftlich gut erprobte Diskriminierungsmechanismen finden sich im Fußball wieder. So werden nicht-deutsche SpielerInnen zum Sündenbock, wenn ein Verein vom Abstieg bedroht ist. Schnell werden die Schuldigen in den unmotivierten Legionären aus dem Ausland gefunden, die nur am Geld interessiert seien oder denen wahlweise die Verbindung zu Verein oder Vaterland fehle.

Die Gesellschaft im Stadion

Vielfach überlagern sich Diskurse über Fußball mit aktuellen politischen Debatten. Die angeblichen Schwarz- und BilligarbeiterInnen aus Osteuropa spielen auch auf dem Fußballplatz für ’nen Euro und stehlen „unserer Fußballjugend“ die Chancen. Ebenso lassen sich an der Ausländerregelung des DFB verschiedene Konfliktlinien von Integrationsdiskursen festmachen. Stets liegt die Reinheit der „Fußballrasse“ mit (wirtschaftlicher) Effizienz und Wettbewerb im Konflikt. Im Clubfußball begrenzt der DFB die Anzahl ausländischer bzw. nicht EU-bürgerlicher SpielerInnen, um angeblich die um Nachwuchsproduktion bemühte Vereinsjugendarbeit zu erhalten. Das aber missfällt den Vereinen, die gute SpielerInnen verpflichten wollen – und die kommen eben zahlreich aus anderen Ländern als Deutschland –, damit sie in den europäischen Wettbewerben erfolgreich bestehen können. Auch für die Nationalmannschaften stellt sich immer wieder die Frage, wer spielen darf und wer nicht. Der Weiße, aus Südafrika stammende Sean Dundee erhielt flugs den deutschen Pass, als ein fähiger Stürmer dringend gebraucht wurde. Der Spieler Valerien Ismael hingegen wurde aufgrund „mangelnder Bindung an Deutschland“ nicht berücksichtigt, obwohl er als hervorragender Innenverteidiger gilt und sich selbst regelmäßig als besonders „deutsch“ inszeniert.

Fans against racism – im Stadion und überall

Nicht zuletzt die Existenz so mancher antirassistischer Fan-Initiativen weist darauf hin, dass Rassismus unter Fans und im Stadion ein verbreitetes Phänomen ist. Dazu ist anzumerken, dass der DFB nur begrenzt daran interessiert ist, entschieden gegen Rassismus vorzugehen. So wurden finanzielle Zusagen für die antirassistische Wanderausstellung „Tatort Stadion“ zurückgezogen, da diese sich auch kritisch mit Zitaten Mayer-Vorfelders befasste. Der DFB hat offenbar kein Interesse, eigene Verfehlungen und die seines Präsidenten zu verarbeiten, geschweige denn damit in der Öffentlichkeit zu stehen. Auch die antirassistischen Inszenierungen im Rahmen der Freundlichkeitskampagne „Die Welt zu Gast bei Freunden“ sind Strohfeuer, um das Image der WM zu polieren. Es wird aber der fortgesetzten antirassistischen Intervention bedürfen, um Rassismus dauerhaft aus dem Fußball und der Gesellschaft zu verbannen.