Unternehmen Schule – Schule als Unternehmen?

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Bildungspolitik & Schulkritik Unternehmen Schule – Schule als Unternehmen?


Seit Oktober 2006 geht ein Gespenst an Berliner Schulen um: die „Schulinspektion“. Wer schon einmal nach dem Unterricht genötigt wurde, die Flure einer Grundreinigung zu unterziehen, den Klassenraum zu verschönern oder die Treppengeländer zu streichen, weiß, wovon die Rede ist.

Ein Team von Inspektor_innen drückt sich zwei Tage lang in Gängen, Unterricht, Lehrer_innenzimmer und Sekretariat rum. Und die Schulleiterin ist ganz aufgeregt, weil es um die Wurst geht. Immerhin überprüft die Schulinspektion die, wie es beim Senat heißt, „Qualität der Managementprozesse“. Und sie fragt, ob die Schulleiter_innen die Schule „nach außen souverän“ vertreten. Es stellen sich dann so Fragen wie: Wofür gibt es Geld und wofür nicht? Wer ist an der Schule und wer nicht? Und was machen die lieben Eltern beruflich – oder sind sie etwa gar nicht berufstätig?

Wer die Krise der Berliner Schulen überwinden will, sollte schulübergreifend über Finanzlage, Zugang zu Bildung und Lehrinhalte diskutieren. Nicht so das Berliner Schulgesetz aus dem Jahre 2004. Es stellt die „Selbstgestaltung und Eigenverantwortung“ jeder Schule in den Mittelpunkt – wie bei einem Unternehmen. Und die „Schulinspektion“ ist die Begleitmusik – ein gnadenloser Ausdruck betriebswirtschaftlichen Denkens. Insofern überrascht es gar nicht, dass das ehrenamtliche Mitglied der „Schulinspektion“ aus der Wirtschaft kommt. Fortan soll jede einzelne Schule gegeneinander konkurrieren – wie einzelne Unternehmen auf dem Markt.

Die „Schulinspektion“ bewertet anhand von „Leistungsdaten“, die später eine Vergleichbarkeit herstellen sollen. Für das, was eine Schule vielleicht besonders macht – ein besonderer sozialwissenschaftlicher Schwerpunkt, vielfältige Unterstützungsangebote für behinderte Schüler_innen, Unterricht zum Erlernen einer seltenen Sprache usw. – ist die „Schulinspektion“ eine Katastrophe. Denn die angestrebte Vergleichbarkeit der Kriterien schafft einen großen Anpassungsdruck. Und da wird dann schon mal lieber auf das Experiment eines Polnisch- Kurses verzichtet.

Die Prüfung zum so genannten „Mittleren Schulabschluss“ (MSA), die seit dem Ende des Schuljahres 2005/2006 abgehalten wird, zeigt wo es lang geht: wichtig sind Deutsch, Mathe und die erste Fremdsprache (an vielen Schule sowieso nur noch Englisch). Alles andere ist Beiwerk – „Vierte Prüfungskomponente“. Du spielst besser Geige als du Gedichte vorträgst? Du rennst die 100 Meter auf dem Sportplatz schneller, als du den Winkel in einem Dreieck berechnest? Und du magst es lieber, verträumt Bilder im Kunstunterricht zu malen, als die blöden Englisch- Vokablen zu pauken? Pech gehabt! Das MSA-Wissen ist nun mal der Standard. Und hüte dich ja davon abzuweichen, dann kriegt deine Schule nach der nächsten Inspektion mitgeteilt, dass sie „besonders hohen Entwicklungsbedarf“ hat.

Wir glauben nicht, dass Inspektion, Vergleichbarkeit und Management die geeigneten Mittel sind, um die Situation der Schulen zu verbessern. Das Prinzip des Marktes hat in noch keinem gesellschaftlichen Bereich etwas zum Guten gewendet. Und die Standardisierung von Wissen soll uns zu gefügigen Arbeitskräften machen – beizeiten inspiziert vom späteren Chef. Wir wollen dagegen alles lernen, was uns Spaß macht. Und wir sind der Meinung, dass dies in einer Weise organisiert werden sollte, die sich am Lebensinteressen der Gesellschaft orientiert und nicht am Markt.

Zum Weiterlesen:

erschienen in:
Submarine zum Thema "Doofe Schule" (2009)