Care Mob im Rahmen von Blockupy 2013

veröffentlicht am FeminismusKapital & Arbeit

FeminismusKapital & Arbeit Care Mob im Rahmen von Blockupy 2013

Wir wollen die queer-feministische Mobilisierung zu Blockupy dazu nutzen, um über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen ins Gespräch zu kommen.

Die gegenwärtige Finanzkrise übt einen massiven Druck auf alle Bereiche der sozialen Reproduktion aus – angefangen bei Gesundheit, Kinderbetreuung, Bildung bis hin zur Pflege. Die dadurch hervorgerufene Doppelbelastung in den Lebensgemeinschaften und Familien wird in den öffentlichen Debatten kaum thematisiert. Im Vordergrund stehen stattdessen Rettungspakete für Banken und bankrotte Staaten.

Demgegenüber wollen wir das eigentlich Wichtige, die Lebensbedingungen von Menschen in den Vordergrund stellen. Wir machen unser Leben und unsere Bedürfnisse zum Ausgangspunkt der Kritik am Kapitalismus und jeglicher Herrschaft.

Im Kapitalismus steht die bedürfnisorientierte Gestaltung unseres Lebens zu jeder Zeit im Widerspruch zum Kapital, denn die kapitalistische Produktionsweise ist ausschließlich an der Maximierung von Profit ausgerichtet. Bedürfnisbefriedigung ist da nur dann vorgesehen, wenn diese ebenfalls dem Profit dient – sprich, die Arbeitskraft aufrecht erhält.

In der jetzigen Überakkumulations- und Verwertungskrise, die diese Finanzkrise ist, wird es für Unternehmen jedoch zunehmend schwieriger, noch Gewinn abzuschöpfen. In der Folge werden Löhne gekürzt und Arbeitstage auch über die vertraglich vereinbarten Zeiten ausgedehnt. Durch den Rückbau des Sozialstaats, sukzessive Kürzungen und Personalabbau im Sozial- und Gesundheitsbereich verschlechtert sich die Situation nicht nur für Pflegekräfte aller Art, auch für die auf Pflege angewiesenen – für uns alle (!) wird die Situation immer prekärer. Damit nimmt auch der Druck auf die Einzelnen zu, diesen Mangel an Reproduktionsarbeiten auszugleichen. Das Prinzip der Profitmaximierung kollidiert zunehmend mit der Aufrechterhaltung der Arbeitskraft. Dies ist mit großen Belastungen und Zeitstress verbunden, und das vor allem für diejenigen, die von Lohn und Transferleistungen abhängig sind. Die Krise der Reproduktion spitzt sich zu!

Beispiele für die konkreten Auswirkungen dieser Krise könnten viele genannt werden: Etwa die Privatisierung von Krankenhäusern und kommunalen Transport-, Wasser- und Energie-Betrieben, die dann ebenfalls nur noch am Profitprinzip orientiert arbeiten und mit gekürztem Personalstand kaum noch eine ausreichende Grundversorgung anbieten können. Auch die Aufweichung der Solidargemeinschaft durch Hartz IV zählt dazu, wodurch Verantwortung zugunsten der Unternehmen und des Staates zu Lasten der Einzelnen umverteilt wird. Genauso der zögerliche Ausbau der Kita-Versorgung, aufgrund dessen Menschen mit Kindern angesichts langer Wartelisten mit zusätzlichen Belastungen und Vereinbarkeitsproblemen konfrontiert werden.

Unter Krise der Reproduktion fassen wir aber auch die Kürzung der Finanzierung von Frauenhäusern und Jugendbildungsarbeit, die sich verbreitende Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen auch über die sogenannten unteren Schichten hinaus, die fehlenden Angebote für Barrierenabbau wie zum Beispiel Gebärdendolmetschen, und schließlich die andauernd schlechten Lebensbedingungen von Menschen ohne Papiere oder ohne feste Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis.

Nur die Wenigsten können es sich leisten die anfallenden Reproduktionsarbeiten an unterbezahlte Hausarbeiterinnen abzugeben. Der Großteil der v.a. weiblich sozialisierten Lohnabhängigen muss unter massivem finanziellen Druck und Stress versuchen, die grundlegenden Lebensbedürfnisse für sich selbst und ihre Angehörigen zu befriedigen.

Die zunehmenden Belastungen durch Reproduktionsarbeit werden dabei größtenteils von Frauen getragen. Denn es sind immer noch vor allem Frauen, denen die Verantwortung für Haushalt, Einkaufen, Kochen, Kinderbetreuung und emotionale Bedürfnisbefriedigung zugewiesen wird. In der Folge stehen sie oftmals unter einer immensen Doppelbelastung: Nach einem langen Lohnarbeitstag wartet dann zuhause noch eine zusätzliche Schicht, die dann meist nicht als das anerkannt wird, was sie ist: zusätzliche Arbeit. Sie sind es, die Kürzungen der Löhne, in der Pflege, der Kinderbetreuung unter anderem am direktesten zu spüren bekommen. Sie finden sich auch mit der größeren Wahrscheinlichkeit in prekären Arbeitsbedingungen wieder. Dies hat sich im Zuge der jetzigen Krise der Reproduktion noch verschärft.

Wir verstehen die Krise also nicht als etwas, das erst seit dem Finanzcrash 2008 zu Tage getreten ist. Wir verstehen sie als ein grundlegendes Missverhältnis in der Art und Weise, wie unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen in diesem System organisiert sind.

Nicht ohne Grund sind Depressionen und Burn-Out in dieser Gesellschaft so verbreitet. Allerdings werden die Gründe für die Überforderung oft nur bei den Individuen selbst gesucht, und die Zusammenhänge verkannt. Wenn allerdings so viele Menschen das gleiche Problem haben, liegt es nahe, dass wir es mit einem gesellschaftlichen, nicht mit einem individuellen Problem zu tun haben. Und das können wir nicht durch Yoga und Entspannungstee lösen, sondern nur gemeinsam.

Eine feministische Perspektive auf die Krise ist eine Bedingung, um diese überhaupt zu verstehen. Eine feministische Kritik, die vom Standpunkt der Reproduktion ausgeht, ist keine partikulare Kritik, weil sie das Bedürfnis Aller nach einem schönen Leben zum Ausgangspunkt ihrer Kapitalismus- und Herrschaftskritik macht. Eine Kritik vom Standpunkt der Reproduktion stellt eine emanzipatorische Alternative zum Kapitalismus in Aussicht: Eine Gesellschaft, deren Beziehungen auf Bedürfnisbefriedigung und nicht auf Kapitalakkumulation ausgerichtet sind.

Wir wollen die unabhängige feministische Mobilisierung zu Blockupy dazu nutzen, um genau darüber ins Gespräch zu kommen.

Statt Vereinzelung und individuellen Lösungsstrategien wollen wir wieder verstärkt auf Solidarität setzen und kollektive Handlungsstrategien entwickeln. Denn kollektive Lösungen für neue und alte von Feminist*innen problematisierte Missstände sind gefragt: Statt Enteignung und Individualisierung - kollektive Aneignung von Reproduktionsmitteln und solidarische Strategien!

Wir wollen am Freitag bei den Protesten als "Care Mob" in der Stadt unterwegs sein. Am Samstag auf der Demo werden wir einen feministischen Block bilden und die "Care Revolution" ausrufen. Im Demoblock werden Frauen vorangehen.

Wir sehen uns also in Frankfurt!