Reaktion der NFJ Berlin auf die "Extremismusklausel" der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder

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Reaktion der NFJ Berlin auf die "Extremismusklausel" der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder

Für den heutigen Tag hat ein breites Bündnis zum bundesweiten „Aktionstages für Demokratie – gegen Misstrauen und Bekenntniszwang“ aufgerufen. Zu den Initiatorinnen gehören Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., Kulturbüro Sachsen e.V., Opferperspektive Brandenburg e.V. und der Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK). Zahlreiche gesellschaftliche Akteurinnen beteiligten sich an diesem Schreiben. So auch die Naturfreundejugend Berlin. Weiter unten findet unser Schreiben, welches wir heute an das Bundeskanzleramt und das Bundesfamilienministerium versendet haben.


Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel, sehr geehrte Frau Bundesfamilienministerin Schröder,

die „Extremismuserklärung“, die das BMFSFJ derzeit allen Trägern im Rahmen des Programms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ und des Programms „Initiative Demokratie stärken“ abverlangt, stellt all diejenigen unter Generalverdacht, die sich täglich für praktizierte Demokratie und gegen Rechtsextremismus engagieren.

Es bestürzt uns zu erfahren, dass bereits jetzt die ersten Vereine und Projekte vor der existenziellen Entscheidung stehen, die anti-demokratische Erklärung des BMFSFJ zu unterschreiben, um die wertvolle Arbeit gegen Rechtsextremismus vor Ort nicht zu gefährden oder die Unterschrift zu verweigern und damit potenziell die eigene Arbeit beenden zu müssen – mit weit reichenden Konsequenzen für Engagierte und Betroffene rassistischer und rechtsextremer Gewalt vor Ort.

Als demokratischer Jugendverband erlebten wir in der Vergangenheit immer wieder die produktive Arbeit in zivilgesellschaftlichen Bündnissen verschiedener Couleur als eine wirkungsvolle Möglichkeit, einem durch rechtsextreme Gruppen verbreiteten Klima der Angst entgegen zu wirken. Die Zusammenarbeit von Nachbarschaftsprojekten und antifaschistischen Initiativen, Organisationen von Betroffenen rechtsextremer Gewalt wie auch kirchlicher Gruppen, Kreisverbände politischer Parteien und Jugendverbänden erwies sich als der einzige Weg, vor Ort dem rechtsextremen Hegemoniestreben Einhalt zu gebieten.

Die Gleichsetzung von Rechtsextremismus mit einem unklar umrissenen Gespenst ‘Linksextremismus' erscheint uns absurd, weder wissenschaftlich noch politisch tragbar und in diesem Fall verheerend für die Zukunft von Projekten und Vereinen einer demokratischen Zivilgesellschaft.

Selbiges gilt für Extremismustheorien, die demokratiefeindliche Einstellungen lediglich an den Rändern der Gesellschaft verortet wissen wollen und sich selbst darüber als demokratische Mitte legitimieren: Eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen der letzten Jahre bewies das Gegenteil. Uns ist wie vielen anderen Vereinen daran gelegen, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der Abwertung und Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Sexualität, ihrer Religion oder körperlichen Fähigkeiten dort zu bekämpfen, wo sie auftreten und sie nicht an die Ränder der Gesellschaft zu verbannen.

Wir unterstützen die mutigen Initiativen des Alternativen Kultur- und Bildungszentrum (e.V. AKuBiZ) Pirna wie auch weiterer Träger der politischen Bildung, politischer Vereine und weiteren, sich trotz des enormen finanziellen wie politischen Druck einem Bekenntniszwang, wie er in der so genannten Extremismusklausel enthalten ist, zu widersetzen. Auch wir möchten unsere Bündnispartner/innen künftig nicht nach dem jeweils gültigen Verfassungsschutzbericht auswählen: Die erfolgreiche Klage der antifaschistischen Zeitung Lotta gegen ihre Erwähnung im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht des Jahres 2008 stellt nur ein Beispiel so genannter ‚Irrtümer' des deutschen Geheimdienstes dar, auf dessen Berichte wir uns nicht alleinig verlassen wollen.

In der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus sind Misstrauen und Bespitzelungsaufforderungen gegenüber denjenigen, die demokratische Werte und Prinzipien vor Ort verteidigen, Demokratie schädigend, einschüchternd und somit kontraproduktiv. Wir fordern Sie daher auf, die Absätze 2 und 3 der so genannten „Demokratieerklärung“ in den Zuwendungsbescheiden der Träger ersatzlos zu streichen.