Mein bayerischer Putzmann, oder: was hat Rassismus mit Arbeit zu tun?
Mein bayerischer Putzmann, oder: was hat Rassismus mit Arbeit zu tun?
Migration heißt Bewegung.
Das Wort „Ausländer“ ist weit mehr als eine Bezeichnung für Leute, die aus Ländern „außerhalb Deutschlands“ kommen. Das zeigt sich schon allein daran, dass auch Menschen als „Ausländer“ bezeichnet werden, die schon sehr lange in Deutschland leben, dort geboren wurden und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Das Wort dient oft dazu, Menschen zu bezeichnen, die angeblich „anders“ und „fremd“ sind, die – Staatsangehörigkeit hin oder her – eben doch keine Deutschen seien, und bloß nicht glauben sollen, dass sie es jemals werden könnten. Kurz: Die Bezeichnung „Ausländer“ ist rassistisch und wir lehnen sie in aller Deutlichkeit ab. Denn warum sollte unser zufälliger Geburtsort dafür wichtig sein, wo und wie wir leben? Leute „Ausländer“ zu nennen grenzt aus und wertet sie ab. Mit dieser Bezeichnung schwingt die Aussage mit, dass bestimmte Menschen, weil sie nicht „deutsch“ genug seien, niedrige Bezahlung, höhere Mieten und schlechte Behandlung ertragen sollen, ja, sogar dankbar sein sollen, überhaupt in Deutschland leben oder arbeiten zu dürfen. Der Begriff „Ausländer“ ist vor allem dann schnell zur Hand, wenn es darum geht Sündenböcke für Arbeitslosigkeit etc. zu finden. Wir haben den Begriff hier in Anführungszeichen verwendet, um auf seine Rolle bei dieser allgegenwärtigen rassistischen Stimmungsmache hinzuweisen.
Entgegen gängiger Vorstellungen, sind Nationen und die dazugehörigen „Völker“ nichts „Natürliches“, sondern eine politische Erfindung der letzten 300 Jahre. (vgl. Pink Rabbit „Das nationale Volk“) Ein Blick in die Geschichte zeigt uns, dass Menschen schon immer, mal freiwillig, mal gezwungen, mal aus Not entlang verschiedener Wege auf der Welt migrierten.
Auch heute gibt es Menschen, die ihr Herkunftsland verlassen und für eine Zeit oder für immer in ein andere Land umziehen, z.B. um dort zu arbeiten, um bei ihrer Familie zu sein oder einfach, um in größerer Sicherheit zu leben. Wir sprechen hier von Migrant_innen, um die Bewegung der Grenzüberschreitung zu betonen und nicht so sehr den Fokus auf die national definierten Länder zu legen. Die Migrationswege, die sie zurücklegen, sind häufig Jahrhunderte alte Wege, die kolonial geprägt sind. Das heißt meistens findet die Migration zwischen Ländern statt, die von kolonialer Abhängigkeit geprägt waren und heute noch in einem verwickelten komplizierten Verhältnis zueinander stehen, dass sich in Spuren immer noch finden lässt. Sowohl ökonomisch als auch in den Bildern, die sich Menschen von anderen machen.
Wer putzt eigentlich das Klo?
In der westlichen Welt hat es sich weitgehend durchgesetzt, dass Frauen arbeiten gehen (müssen), auch wenn das immer wieder in der Öffentlichkeit diskutiert wird, wie z.B. die Debatte um das Betreuungsgeld zeigt. Wenn alle arbeiten, wer macht dann die Hausarbeit? Diese wird häufig von migrantischen Hausarbeiter_innen erledigt, die gegen Lohn in privaten Haushalten arbeiten, z.B. Klos putzen. Hierbei handelt es sich oft um extrem unsichere Arbeitsverhältnisse. Meistens bestehen z.B. keine Arbeitsverträge. Dies erschwert oder verhindert es auch, dass sich die Arbeiter_innen auf gesetzlich verbrieftes Arbeitsrecht (wie z.B. Kündigungsschutz und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw.) berufen können. Die Arbeitszeiten sind häufig flexibel und werden von den Arbeitgeberinnen spontan und nach Bedarf verlängert oder verkürzt. Da die Hausarbeiterinnen mit Kindern, Alten und Kranken arbeiten, gehört es zu ihrer Arbeit eine emotionale Bindung aufzubauen. Dies erschwert es ihnen, für ihre Rechte einzutreten.
Gemacht wird diese Arbeit vorwiegend von Leuten, die nach Deutschland gekommen sind, weil sie sich dort eine bessere Zukunft erhoffen. Viele reisen ohne Papiere ein und haben so kaum gewerkschaftliche Unterstützung und Organisierungsmöglichkeiten. Wer keine Aufenthaltsgenehmigung oder auch nur keine Arbeitserlaubnis hat, ist abhängig vom Wohlwollen der Arbeitgeber_innen. Diese Arbeit hat tatsächlich zwei Seiten. Schließlich ist sie die einzige Möglichkeit für Menschen ohne Papiere sich überhaupt ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Auch wenn die Arbeitsmigrant_innen sich legal in Deutschland aufhalten wollen, führt sie dies in andere Abhängigkeiten. Zum Beispiel müssen sie heiraten oder verheiratet bleiben oder dürfen ihren Job nicht verlieren, wenn sie hier bleiben wollen. Entsprechende Gesetze unterstützen genau diese Abhängigkeiten und ermöglichen, das Menschen der Ausbeutung und Misshandlung ihrer Ehepartner_innen und Arbeitgeber_innen bedingungslos ausgeliefert sind.
Außerdem erleben migrantische Hausarbeiter_innen Rassismus. Sie werden diskriminiert, abgewertet und beleidigt.
Rassismus bedeutet, dass Menschen bestimmten Nationalitäten oder Gruppen zugeordnet werden. Über diese Gruppen werden Vorurteile und Bilder gesellschaftlich produziert und verbreitet. Auf Grundlage dieser Zuschreibungen wird den Menschen dann mit Hass begegnet, sie werden entrechtet und verschiedenster Vergehen beschuldigt. Rassismus ermöglicht es, dass z.B. die Arbeitgeber_innen und Angehörigen eines Haushalts ihre Hausarbeiter_innen nicht als gleichwertige Menschen anerkennen. Diese Stigmatisierung erleichtert eine Distanz, Erniedrigung und allgemein schlechte Behandlung. Viele Migrant_innen sind gut ausgebildet, dürfen in Deutschland aber nicht in ihren Berufen arbeiten.
Was früher Frauenarbeit war, wird jetzt von migrantischen Frauen erledigt. So nach dem Motto: „Die Ausländer können ja froh sein, dass sie überhaupt Arbeit haben“. Das die Volkswirtschaften der westlichen Länder auf die „billigen Arbeitskräfte“ angewiesen sind und z.B. jede Deutsche, die eine migrantische Hausangestellte hat, von diesem System profitiert, wird dabei ignoriert.
Festung Europa macht mobil gegen Migration
Die EU ist seit Anfang der 1990er Jahre mit allerlei polizeilicher und militärischer Abwehr und Sicherung ihrer Außengrenzen gegen Migrant_innen vorgegangen. Die Möglichkeiten z.B. als Mosambikaner_in oder usbekische_r Staatsangehörige_r ein Visum für die EU zu bekommen sind äußerst beschränkt. 2004 gründete die EU eine Agentur namens Frontex, um u.a. die Außengrenzen Europas im Mittelmeer systematisch dichtzumachen. Jährlich sterben tausende Menschen bei dem Versuch ohne Visum, also „illegal“ in die EU einzureisen, weil ihnen eine legale Einreise verwehrt wird.
Bereits 1993 wurde das Asylrecht – das im Grundgesetz verbriefte Recht verfolgter Menschen und in Not geratener Flüchtlinge in Deutschland Schutz suchen zu können – quasi abgeschafft. Weniger als 1% der Asylsuchenden wird das Bleiberecht zugesprochen. Alle anderen werden zur Ausreise gezwungen,ja sogar inhaftiert und unter Gewaltanwendung in ihre Herkunftsländer abgeschoben.
Neokoloniale Verhältnisse
Wer heute wohin und zu welchem Zweck migrieren darf, wird sehr stark durch Gesetze, staatliche Repressionen und Interessen der Wirtschaft bestimmt. Dabei spielt die rassistische Bewertung der verschiedenen Länder und der aus ihnen stammenden Menschen eine große Rolle. Z.B. gelten Arbeitsmigrant_innen aus der EU oder aus den USA, aus Japan oder anderen wirtschaftlich führenden Nationen des Nordens als „besser“, als türkische, nigerianische, vietnamesische oder puerto-ricanische Arbeitsmigrant_innen. Die Entstehung dieser Aufteilung geht zurück auf die Zeit der europäischen Kolonialisierung des Globalen Südens, an der auch Deutschland ab dem späten 19. Jahrhundert sich eifrig beteiligt hat. Während der Kolonialherrschaft dienten erst religiöse und später noch weit „effektivere“ rassistisch-biologische, also „wissenschaftliche“ Begründungen dazu, die Ausbeutung, Misshandlung und Versklaven der Menschen in den Kolonien zu rechtfertigen. Der Rassismus wurde institutionalisiert, um die eigene Überlegenheit und Herrschaft über den Globalen Süden zu legitimieren. Die Entwicklung von Industrie und eines höheren Lebensstandards im Norden war nur möglich, weil im Süden Land und Bodenschätze geraubt und Menschen versklavt oder als billigste Arbeitskräfte ausgebeutet werden konnten. Auf diese Weise entstanden auch die ungleichen Lohn- und Arbeitsverhältnisse und es setzten sich bis heute wirksame Vorstellungen durch, nach denen bestimmte Menschen und deren Arbeitskraft als „minderwertig“ beurteilt und deshalb schlechter entlohnt werden kann.
Von dieser, durch die postkoloniale Herrschaft des Nordens bedingte weltweiten Arbeitsteilung und Ausbeutung ist unser Leben in Deutschland auch heute, wo es keine Kolonien mehr gibt, geprägt.
Sehr viele Produkte (wie z.B. Kleidung, die wir heute in Deutschland zu sehr günstigen Preisen kaufen können) wurden von Arbeiter*innen in Kasachstan, China, Taiwan, Marokko und Bangladesch unter miesen gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen hergestellt. Wen wundert es da, dass Menschen aus Ländern, die als „Verlierer der Globalisierung“ gelten, enorme Gefahren und beschwerliche Wege der Migration auf sich nehmen, in der Hoffnung sich in Deutschland oder einem anderen „Gewinnerland“ ein besseres Leben aufbauen zu können.
Die Geschichte und die koloniale Vergangenheit prägen den Rassismus und die Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigrant_innen oder einfach von Menschen, die als „Ausländer“ stigmatisiert werden. In Deutschland bestehen weitere speziellere historische Wurzeln z.B. für Rassismus, der sich speziell gegen Osteuropäerinnen und Roma und Sinti richtet.
Menschen, die von diesen Abwertungen betroffen sind, werden nicht nur schlechter bezahlt, sondern sie müssen vor allem die Arbeit machen, für die sie wenig gesellschaftliche Anerkennung erfahren – wie z.B. sog. „Frauenarbeit“: Haus- und Sorgearbeit, Pflege von kranken und alten Menschen usw. Die meisten Arbeitsmigrant_innen sind auch durch rassistisch geprägte gesetzliche Regelungen gezwungen, weniger angesehene, körperlich belastende und schlecht bezahlte Jobs in der untersten Betriebshierarchie anzunehmen. Auf diese Weise wird auch dafür gesorgt, dass sich Armut und Ungleichheit erhalten, die durch jahrhundertelange rassistisch begründete Arbeitsteilung und Abwertung der Arbeitskraft von Menschen entstanden sind.
Frauen, die für einen Job nach Deutschland migrieren, haben meistens in doppelter Hinsicht mit einer rassistischen und sexistischen Abwertung ihrer Arbeit und ihrer Person zu kämpfen. Besonders im Bereich der Pflege- und Sorgearbeit in Betrieben und privaten Haushalten, die als typische Frauenarbeiten gelten, stieg in den vergangenen Jahrzehnten die Nachfrage nach „billigen“ Arbeitskräften.
Wir finden: Hausarbeit muss als gesellschaftliche notwendige Arbeit verstanden und aufgewertet werden. Sie muss gesellschaftlich diskutiert werden. Gekoppelt daran muss die heutige Asyl- und Migrationspolitik kritisiert werden. Wir lehnen jeglichen Rassismus ebenso wie dazugehörige staatliche Politik ab. Wir sagen, Grenzen auf, Bewegungsfreiheit für alle!