I can't relax in Deutschland
I can't relax in Deutschland
„I Can‘t Relax In Deutschland“ ist das Motto einer Initiative, die sich mit dem in der letzten Zeit sowohl popkulturell als auch gesellschaftlich immer offensiver zu Tage tretenden Nationalismus auseinandersetzt. Im August dieses Jahres hat die Initiative einen Sampler mit Künstlern wie Monochrome, Tocotronic und den Goldenen Zitronen herausgebracht. Im Begleitheft finden sich viele lesenswerte Artikel, die sich mit Pop und Politik auseinandersetzen. Wir sprachen mit den MacherInnen.
Ihr wollt mit Eurem Sampler u.a. KünstlerInnen zusammen bringen, die nichts von einem positiven Bezug auf Deutschland, wie er neuerdings im Pop stattfindet, halten. Was macht diesen popkulturellen Diskurs aus? Was ist neu an ihm? Finden sich bestimmte Aspekte in älteren Popdiskursen wieder?
Die Diskussion um nationalistisch aufgeladene Popkultur ist ja nicht wirklich neu. Eine Bindung von Musik, Volk und Vaterland hat bereits Heinz Rudolf Kunze in den 90ern vehement gefordert und auch damals wurde darauf publizistisch reagiert. Ein anderer Punkt ist allerdings die popkulturelle Thematisierung von einem Anfang der 90er massiv wahrnehmbaren gesellschaftlichen Nationalisierungsschub, der in den rassistischen Pogromen in Rostock-Lichtenhagen, Solingen oder Hoyerswerda gipfelte. Der ganze Einheitstaumel in schwarz-rot-gold veranlasste viele KünstlerInnen damals zu klaren Statements. Die »Was Besseres Als die Nation«-Tour sei da genannt oder all die unzähligen explizit gegen Nationalstolz und Patriotismus gerichteten Songs. Deutschland gutzufinden hatte damals nicht wirklich Hochkonjunktur, was an dem Umstand lag, dass bis zum Ende des Realsozialismus 1989 ein positiver Bezug auf die Nation aufgrund der ungebrochenen Kontinuitäten aus dem Nationalsozialismus versperrt war und Anfang der 90er marodierende Nazibanden zum Synonym der gesellschaftlichen Verfassung dieses Staates wurden. Musikalisch konnte man zumindest in den sog. Subkulturen auf einen antinationalen Konsens zählen. Unter diesen Vorzeichen ließ sich ein Vorstoß wie der von Kunze noch müde belächeln. Das ist heute grundsätzlich anders. Das Label deutsch hat sich gut gemacht, wirkt heutzutage hip, modern, weltoffen, tolerant und bietet so auch genügend Anknüpfungspunkte für Leute, die mit Nationalstolz bis dato nichts anfangen konnten. Diese Veränderung macht eine Diskussion, wie wir sie mit unserer Compilation anstoßen wollen, zwingender als noch vor einigen Jahren. Wir haben es schließlich nicht mit einigen verwirrten Künstlern, sondern mit einem Großteil von Musikern und Musikliebhabern zu tun, denen schon warm uns Herz wird, wenn sie vor einer Fußball-Übertragung im TV die Nationalhymne hören.
Was könnten Eurer Meinung nach Gründe für die „Nationalisierung“ der deutschen Popkultur sein?
Es greifen dort mehrere Faktoren ineinander, die – und das gilt es zu betonen – gesellschaftlich ablaufen. Wir reden also nicht vordergründig von einer Nationalisierung der deutschen Popkultur, sondern vielmehr von einem gesellschaftlichen Nationalisierungstrend, der sich auch popkulturell artikuliert. Zum einen lässt sich grundsätzlich beobachten, dass in Krisenzeiten eine Hinwendung zur Nation stattfindet. Umso schlechter es den Menschen geht, um so mehr ketten sie sich an – das Individuum vermeintlich aufwertende – Zwangskollektive nach dem Motto: »arm aber wenigstens deutsch«. Zum anderen gelang es der rot-grünen Bundesregierung, den viel zitierten Schlussstrich unter die nationalsozialistischen Verbrechen zu ziehen, die bislang einem unverkrampften Verhältnis zu Deutschland im Weg standen . Schröder und Fischer schafften es, flankiert von Guido Knopps »Hitler intim«-Dokus, eine Aufarbeitung des NS mit einer Mischung aus Verantwortung, Stirnrunzeln und Führer-Voyeurismus auszubügeln. Gefördert wurde der positive Bezug auf die Nation mit dem durch die Anschläge vom 11.September 2001 losgetretenen »war on terror«, namentlich dem Waffengang der USA und ihrer Verbündeten gegen Afghanistan und den baathistischen Irak. In Deutschland formierte sich unter dem Friedenskanzler Gerhard Schröder eine Massenbewegung gegen Amerika, die allen Ernstes als »Friedensmacht« (SPD) ein neues deutsches Selbstbewusstsein im Schlepptau hatte. In der Abgrenzung zu den USA, befreit vom Klotz der Geschichte und bestärkt durch die wirtschaftliche Krise, kam es wieder zu einem gesellschaftlichen Nationalismus-Boom. Popkulturell wurde selbiger nur vertont, gedruckt, geschneidert oder auf Zelloloid gebannt.
Welche Rolle spielt Antiamerikanismus bei dem Ganzen?
Neben dem Antiamerikanismus der deutschen Friedensbewegung gingen mit der Nationalisierung der Popkultur eigene Legitimationsmuster einher. So wurde die deutsche Musik, Fotografie, Film, etc. als Gegenbild zum »US-amerikanischen Schund« in Stellung gebracht – von dem deutsche MusikerInnen, PolitikerInnen und Stammtische die heimische Kultur im Würgegriff glaubten und noch glauben. Anstatt Kunst in jedem einzelnen Werk nach ihrer Qualität zu verorten, wird das »Deutsche« zu einem Inbegriff des Besseren, zum Teil eines großen Ganzen – zur Kulturnation Deutschland. Deren Verfechter sehen Grönemeyer, Mia., Fettes Brot, Die Goldenen Zitronen, Rammstein und Tocotronic zusammen im Topf mit der Aufschrift »Deutsche Kultur« und als wäre das noch nicht genug – stellt man sie in eine Linie mit Goethe und Wagner, anstatt mit Elvis, den Beatles oder Stones. Zumindest den Zitronen und Tocotronic dürfte das gar nicht gefallen.
Die neuen Kinder der Kulturnation sind allesamt jedoch popkulturell in genau jenem »Schund«, jener »Unkultur« verwurzelt, gegen das sich der kulturelle Antiamerikanismus wendet. Irrwitzig wird dieser Ansatz, wenn plötzlich unter deutschem Adler mit Baggy Pants und Hip Hop-Beatz Zeilen gerappt werden, die Opa in seinen Landser-Heftchen stehen hat.
Ihr bemerkt ja sehr richtig, dass Popkultur lediglich die gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegelt - aber bedeutet dass im Umkehrschluss, dass die Inhalte von Popkultur keinen Einfluss auf die Leute haben? Welche geselllschaftlichen und politischen Folgen kann so ein unverhohlener, modisch daherkommender Nationalismus haben?
Das Entscheidende an einem Spiegel ist ja, dass er sein Bild zurückwirft. In dem selben Maße, in dem Pop also gesellschaftliche Diskurse abbildet – Musiker eben nur genau so dumm musizieren, wie die Gesellschaft dumm ist – in dem gleichen Maße werfen sie ihre geistige Verfasstheit auf die Rezipienten zurück. Pop wird im Moment zu so etwas wie ein Katalysator des gesellschaftlichen Mainstreams. Das eigentlich unerfreuliche – von einer wirklich manifesten Gefahr lässt sich bei den herzensguten, toleranten aber stolzen Deutschen im Moment wohl eher nicht reden – das eigentlich unerfreuliche ist eine Hinwendung zur Nation, die bereits in den Jugendkulturen stattfindet. Ein kritisches Verhältnis zu Deutschland wird sich damit über kurz oder lang wohl erledigt haben.
Wie erklärt Ihr Euch, dass auch (vor allem?) KünstlerInnen wie MIA, Jan Delay oder Mistah Bomsh am Projekt „selbstbewusste deutsche Kulturnation“ beteiligt sind, die sich eher als Teil der (links-) alternativen, subkulturellen Szene verstehen?
Die Frage könnte man eigentlich zurück stellen: warum wird immer wieder gedacht, dass Musiker, die Punkrock, Indiepop oder Hip Hop intonieren, quasi resistent gegen die Verlockungen der Nation wären? Der Fehler der Poplinken war doch, über Kultur Gesellschaftskritik transportieren zu wollen, was dann letzten Endes bedeutete, dass die Kritik auf ein symbolisches Gerüst, einen Lifestyle zusammen gedampft ist. Hier mal ‘nen Stern, dort mal ein Slogan, ein bisschen dissident rüberkommen und wir haben unsere linke Band. Die Erkenntnis dämmert nun vielen langsam, dass es kein ästhetisches Modell gibt, dass per se links oder alternativ wäre.
Warum diese Leute nun ihre Gefühle zu Deutschland entdeckt haben, mag wohl auch daran liegen, dass rot-grün eine nettere Republik verkörpert, als 16 Jahre lang Helmut Kohl. Der sehr simple, personifizierende Blick auf die Verhältnisse hatte also nur einen Austausch der Regierungsmannschaft nötig, um sich mit Deutschland zu vertragen. Eine Band wie MIA. - linker Anspruch hin oder her – ist also auch nicht unbedingt klüger als eine Pro7-Casting-Kombo. Das kann jedoch nicht bedeuten, dass man Pop von einem emanzipatorischen Standpunkt aus einfach Pop sein lässt. Jedenfalls nicht, wenn sich deutschtümelnde, rassistische, antiamerikanische, antisemitische oder sexistische »Inhalte« auf den Alben und Konzerten breit machen. Es geht nicht darum, als Linke die PC-Polizei zu spielen, die permanent MusikerInnen zu politischen Statements nötigt; wohl aber aber um das Einfordern einiger Minimalstandards, die mit der zunehmenden Marginalisierung kritischer Theorie weggebrochen sind. Wenn man soweit ist, kann man ja mal über Kulturindustrie als Alltagsreligion reden...
Erschienen in:
Null Gründe zu feiern! (2005)