Gehirnwäsche in Uniform
Gehirnwäsche in Uniform
Über die Arbeit von Jugendoffizieren der Bundeswehr
Der Ausspruch, dass die Bundeswehr die Schule der Nation sei, ist mittlerweile zum geflügelten Wort geworden. Und doch hat die „Schule der Nation“ viele Gemeinsamkeiten mit der anderen Schule, so wird z.B. in der einen über die andere informiert. Für die Bundeswehr arbeiten in den Schulen die soge-nannten Jugendoffiziere. Im Informations- und Pressestab des Verteidigungsministeriums werden die Einsätze der Jugendoffiziere in Schulen ebenso geplant wie die wehrpolitischen Seminare für LehrerInnen und die Zusammenarbeit mit den Bildungs- oder Kultusbehörden.
Die Aufgaben der Jugendoffiziere sind dabei klar definiert: Die SchülerInnen sollen Bundeswehr und Wehrpflicht akzeptieren und befürworten. Image-verluste der Bundeswehr, z.B. durch unzählige „rechtsradikale Einzelfälle“ oder Rüstungsgroßprojekte wie den Eurofighter, dürfen aus Sicht der Bundeswehrstrategen nicht zur generellen Ablehnung militärischer Struk-turen führen. Die Jugendoffiziere sind Werbestrategen und Werbeträger in einem. Offiziell sollen sie zwar nur informieren – das Wort „Propaganda“ wird wohl jedem Jugendoffizier die Zornesröte ins Gesicht treiben – aber nichts anderes ist ihre Aufgabe. So wird durch verschönende Darstellung der Dienst beim Bund angepriesen, mit Bedrohungsszenarien und konstruierten Feindbildern wird die Notwendigkeit einer Verteidigungsarmee suggeriert, und durch das Heranziehen sämtlicher militärischer Konflikte der Welt wird die deutsche Pflicht zu „friedensschaffenden Maßnahmen“ erläutert. Aber die Jugendoffiziere erfüllen noch einen anderen Zweck: Durch ihr Auftreten in Uniform soll die Schule schrittweise militarisiert werden, damit sich Jugendliche bereits frühzeitig an das Bild von Soldaten gewöhnen. Mit dem gleichen Ziel versucht die Bundeswehr durch Paraden und Gelöbnisse den öffentlichen Raum zu erobern.
Aber ganz neu ist diese Idee nicht: Wehrsportübungen und Wehrkunde waren nicht nur im Nationalsozialismus, sondern auch in der DDR fester Bestandteil der schulischen Ausbil-dung. Grenzte man sich während des Kalten Krieges zumindest rhetorisch noch von der vormilitärischen Erzie-hung in den östlichen Nachbarstaa-ten ab, konnte nach der Wende die Bundeswehr wieder zum Generalangriff auf die Schulen blasen. Schon in den 70er Jahren formulierte das baden-württembergische Kultusministerium das militärische Erziehungsziel: Die Pflicht der Schule sei es, „die Aufgaben der Bundeswehr so verständlich zu machen, dass sie vom Schüler als notwendig anerkannt werden können.“ Die Werbe- und Informationstätigkeit wird von einer besonders ausgewähl-ten „Kader-Truppe“, der etwa 2.500 haupt- und nebenamtliche Jugend-offiziere angehören, getragen. Wer Jugendoffizier werden will, muss nicht nur über die richtige Gesinnung verfügen, sondern erhält auch noch eine spezielle Schulung. In den Lehrgängen werden die angehenden Jugendoffiziere nicht nur auf die inhaltlichen Diskussionen mit kritischen SchülerInnen vorbereitet, sondern vor allem rhetorisch geschult. In seiner Ausbildung lernt der Jugendoffizier, dass er sich immer als „gebildeter“,„demokratischer“, „kritischer“ Soldat zu geben hat. Nach dem Motto „Kleine Fehler zugeben um die großen zu vertuschen“ soll er um Vertrauen wer-ben. Und auch kritische Einwände darf der Jugendoffizier niemals abwürgen, sondern er muss sich allen Argumenten aufgeschlossen zeigen, um sie dann um so massiver zu widerlegen. Mit unterschiedlichen rhetorischen Schleifen appelliert er an die Verantwortung der SchülerInnen für das Allgemeinwohl und stellt den Dienst bei der Bundeswehr als wertvolle Erfah-rung dar. Nie werden dem Jugend-offizier die Worte „Kriegsdienst“ oder „Kadavergehorsam“ über die Lippen kommen. Viel beliebter sind hingegen Schönsprech-Formulierungen, an de-nen George Orwell seine Freude hätte:„Friedensdienst“, „humanitäre Aufga-ben“, „Bürger in Uniform“ etc.
Der Einflussbereich der Jugendoffiziere kann sich sehen lassen: Etwa 300.000 Jugendliche nehmen jährlich an Bundeswehrveranstaltungen in Schu-len, Kasernenfahrten oder speziellen Seminaren teil. Wobei die Jugendoffiziere davon abgerückt sind, sich in Podiumsdiskussionen kritischen Nach-fragen zu stellen. Statt kritischem Gespräch wird auf den „emotionalen Zu-gang“ durch Erlebnisformen gesetzt. So sollen z.B. durch Kasernenbesuche Militär und Disziplin zu etwas Alltäg-lichem und Normalem werden. Persönliche Kontakte mit „einfachen Soldaten“ und die Faszination der Technik werden als erfolgreiche Strategien an-gesehen, um SchülerInnen zu manipulieren. Aber was so zufällig aussieht, ist langfristig geplant. So wurden Jugendoffiziere beispielsweise aufgefordert zu Schulbesuchen möglichst ehemalige Schüler dieser Schule, die gerade ihren Wehrdienst ableisten, mitzunehmen, da so die Glaubwürdigkeit erhöht werden könne.
Aber nicht immer ist der Einfluss der Armee auf die Gestaltung des Unterrichts so offensichtlich. Jugend-offiziere beteiligen sich auch an der Erstellung von Unterrichtsmaterialien, die entweder in die normalen Schul-bücher einfließen oder als aktuelle Informationen zur Sicherheitspolitik als Bundeswehrmaterialien erkennbar sind. Die notorischen Finanzprobleme der bundesdeutschen Schulen tun ihr Übriges, dass die Broschüren und Fil-me der Bundeswehr in den Unterricht einfließen. LehrerInnen und DirektorInnen können an kostenlosen Fortbildungskursen zum Thema Sicher-heitspolitik teilnehmen, in denen ihnen von Offizieren nicht nur die Auf-gaben der Bundeswehr vermittelt wer-den, sondern nebenbei auch noch die Sinnhaftigkeit der Besuche von Jugendoffizieren in Schulklassen erläutert wird. Und natürlich sind Jugendoffiziere auch zur Stelle, wenn die neuen Rahmenpläne im Schulsenat oder den Kultusministerien erarbeitet wer-den. Mit speziellen Angeboten für SchülerInnenzeitungen konnten die Jugendoffiziere in den letzten Jahren auch einige Erfolge erzielen. Das Prin-zip ist einfach: Man lädt einige junge ZeitungsredakteurInnen ins Verteidi-gungsministerium ein und lässt sie et-was „recherchieren“. Und da es vielen SchülerInnenzeitungen an Themen mangelt, werden die Berichte über die-se Fahrten in den meisten Zeitungen dann auch abgedruckt. Ziel erreicht. Die grundsätzliche Frage, ob das Auftreten von Jugendoffizieren mit den demokratischen und emanzipatori-schen Bildungsidealen vereinbar ist, bleibt offen. Die Schule soll offiziell alle relevanten gesellschaftlichen Po-sitionen in gleicher Weise berücksich-tigen. Der Jugendoffizier, der die Kriegsdienstverweigerung nur am Rande erwähnt, kann und will das nicht leisten.
„Politische Bildung soll daher in der Bundeswehr einen Beitrag zur Erziehung kritischer, selbstbewusster und verantwortungsvoller Soldaten leisten“, so das angebliche Erziehungsziel der Bundeswehr. Dieser Anspruch ist weder bei der Bundeswehr noch in der Schule verwirklicht. Militär kann nicht demokratisch sein und kritische Soldaten können gar nicht so schnell ihre Kritik aussprechen wie sie in der Arrestzelle landen. Wir wollen hingegen eine Schule, die zum kritischen Denken anregt und nicht Ort propagandistischen Trommelfeuers der Militärs ist. SchülerInnen sollen sich ihrer eigenen Interessen bewusst sein und nicht vermeintlich übergeordneten Anliegen oder einem imaginären Allgemeinwohl blind folgen.