Gar nicht (Ge-)Schlecht

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FeminismusBildungspolitik & Schulkritik Gar nicht (Ge-)Schlecht

Sexismus und Schule

Wie oft müssen wir uns in unserer Schulzeit, neben dem allgemeinen langweiligen Nerv auch noch blöde Zuschreibungen über Mädchen und Jungen anhören? Nicht nur von den Lehrer_innen, sondern auch von Eltern und Mitschüler_innen. Man kennt sie eigentlich alle, diese Klischees, und oft weiß man auch, dass sie gar nicht stimmen können. Aber das tut dem Glauben an sie keinen Abbruch.

Der Uraltklassiker ist wohl, dass Mädchen gut in Sprachen sind und Jungs dafür besser in Physik. Wir können diese Bemerkungen und Andeutungen natürlich ignorieren, aber bei ihrer Alltäglichkeit funktioniert das irgendwann nicht mehr. Zum einen, weil man merkt, wie einem_einer diese Vorurteile im Weg stehen. Wer als Mädchen im Sportunterricht lieber Fußball spielt als Bodenturnen lernt, kann davon ein Liedchen singen. Zum anderen wird einem_einer schnell bewusst, dass Sexismus in der Schule über die üblichen Klischees hinausgeht.

Bleiben wir bei dem Vorurteil, demzufolge Mädchen in bestimmten Fächern besser oder schlechter sind als Jungen. Diese Anschauung ist von Lehrer_ innen schon so weit verinnerlicht, dass sie ihre Notengebung beeinflusst. Resultat: Mädchen werden in den „mädchenuntypischen“ Fächern schlechter bewertet. Bei Jungs ist es ähnlich. Mal davon abgesehen, dass Noten sowieso ungerecht sind und abgeschafft gehören. Jungen und Mädchen müssen sich in der Schule den üblichen Klischees anpassen, um nicht aus der Reihe zu tanzen, aufzufallen oder komisch angeschaut zu werden. Nicht nur wegen der Noten, sondern auch weil sie sonst irgendwie komisch oder uncool sind.

Schaut man in die Vergangenheit, wurde lange Zeit angenommen, Mädchen bzw. Frauen seien irgendwie nicht so schlau wie Jungen. Langsam ist man sich darüber einig, dass Mädchen genauso schlau sind wie Jungen, aber nach bestimmten Vorstellungen erzogen werden. Mit dieser Erziehung, die nicht nur durch Eltern und Lehrer_innen stattfindet, sondern das ganze Leben lang anhält, werden die unterschiedlichen Interessen und Verhaltensweisen von Jungen und Mädchen erklärt.

Obwohl es kein Geheimnis mehr ist, dass Geschlechterrollen keine gott- oder naturgegebenen Zuschreibungen sind, findet man diese besonders in der Schule wieder. Das ganze Schulsystem, Unterrichtsmaterialien sowie Erzieher_innen und Lehrer_innen sorgen mehr oder weniger bewusst dafür, dass Mädchen und Jungen unterschiedlich behandelt werden. Kein Wunder, schlägt man die Schulbücher auf, wimmelt es nur von Geschlechterklischees über Männer, die als Anwälte oder Ingenieure arbeiten, und Frauen, die sich als Sekretärin oder Psychologin verdingen. Dass das nicht immer so ist und auch vielleicht gar nicht so sein sollte, wissen wir eigentlich selbst.

Oft tauchen Frauen auch gar nicht auf. Wenn man z.B. Geschichts-, Literatur- oder Politikunterricht hat, kommen sie selten zu Wort. Fast hat man den Eindruck, es hat in der Geschichte keine großen, coolen Frauen gegeben, was natürlich totaler Unsinn ist: Louise Michel, Vera Sassulitsch, Rosa Luxemburg...

Auch das Thema Sprache ist eine spannende Sache – nicht nur in der Schule. Kommen Frauen in den Lehrinhalten selten vor, werden sie in der Sprache völlig ausgelassen. So wird immer nur von „Schülern und Lehrern“, „Schülerausweisen“ und „Schülervertretung“ gesprochen, aber mindestens die Hälfte aller „Schüler“ sind Mädchen. Richtig wäre es also, wenn man sie in der Sprache berücksichtigen würde.

Die unterschiedliche Behandlung von Mädchen und Jungen durch Lehrer_innen und Eltern wirkt sich auch darauf aus, wie gelobt wird. Von Mädchen wird angenommen, dass sie gute Leistungen erbringen, weil sie fleißig sind. Bei Jungen ist es die Begabung. Wenn sie scheitern, waren sie eben einfach einmal faul. Anders bei Mädchen, denen es dann schon eher an den Fähigkeiten fehlt. Das ist ganz schön frustrierend und führt häufig dazu, dass Mädchen viel seltener stolz auf ihre Arbeit sind und sich weniger zutrauen.

Trotzdem oder gerade deshalb wandelt sich etwas im ganzen Bildungssystem. Immer mehr Mädchen besuchen höhere Schulen und machen Abitur und auch später in der Uni werden Frauen besser als Männer. Doch anstatt sich darüber zu freuen, wird daraus geschlossen, dass es nun die Jungen sind, die völlig falsch behandelt werden, und nun endlich Schluss sein müsse mit der Unterstützung und Förderung von Frauen und Mädchen. Doch an den wenigsten Schulen gibt es Einrichtungen, die sich darum kümmern, dass Mädchen mehr Spaß an Fußball, Physik oder Politik haben.

Von Lehrern und Mitschülern, die offen sexistisch sind, einmal abgesehen, gibt es viele Situationen und Strukturen an der Schule, die eine Geschlechterhierarchie schaffen und sich für Mädchen frustrierend und negativ auswirken. Trotzdem sind Mädchen nicht einfach nur Opfer dieser ganzen sexistischen Schulscheiße, sondern können auch etwas dagegen tun. Angefangen damit, sich nicht entmutigen zu lassen, wenn man lieber Politik mag als Biologie, bis hin zur offenen Auseinandersetzung mit dem Thema Sexismus. Das soll heißen, viele von den sexistischen Strukturen in der Schule funktionieren, weil niemand sie anspricht. Lehrer_innen und Mitschüler_innen müssen darauf aufmerksam gemacht werden. Das fängt z.B. damit an, im Deutschunterricht mal die Frage nach einer geschlechtergerechten Schreibweise zu stellen und endet dabei, sich gegen offen sexistische Lehrer und Mitschüler zu wehren. Auch wenn es angeblich nur harmlose Witze sind.

erschienen in:
Submarine zum Thema "Doofe Schule" (2009)