Friedensstifter Deutschland?
Friedensstifter Deutschland?
Die neue deutsche Außenpolitik sieht anders aus
Ganz Deutschland ist sich einig. „Krieg ist keine Lösung“, „Kein Blut für Öl“. 80 Prozent der Bevölkerung sind gegen einen Irak-Krieg, eine halbe Million Menschen demonstriert am 15. Februar in Berlin für den Frieden. Unterstützt von Gewerkschaften, Kirchen, Globalisierungsgegnern, Sozialdemokraten, Kommunisten, Konservativen. Sogar die Bundesminister Jürgen Trittin, Renate Künast und Heidemarie Wieczorek-Zeul marschieren mit. Pazifistische Republik Deutschland?
Schön wär's. Nur sechs Tage nach dieser größten Friedensdemonstration seit zwanzig Jahren verkündet Verteidigungsminister Peter Struck, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, wohin die deutsche Reise wirklich geht. Im Frühjahr will Struck neue verteidigungspolitische Richtlinien erlassen. Der Schwerpunkt der Aufgaben der Bundeswehr werde künftig „im multinationalen Einsatz und jenseits unserer Grenzen liegen“, so Struck. Für die Bundeswehr stünden dann „Einsätze der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung sowie zur Unterstützung von Bündnispartnern auch über das Bündnisgebiet hinaus im Vordergrund“. Und zwar „an jeder Stelle der Erde“. Struck: „Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“.
Angesichts der Friedensrhetorik in Bezug auf den Irak muten diese Bekenntnisse fast schizophren an. Überraschend sind sie freilich nicht. Denn unter Rot-Grün wurde die Militarisierung der deutschen Außenpolitik bereits kräftig vorangetrieben. Was zu Zeiten der deutschen Teilung noch undenkbar gewesen wäre, ist heute Realität: Deutschland führt wieder Kriege. Im Kosovo noch „mit Bauchschmerzen“. Damals begründete Außenminister Joschka Fischer den Militäreinsatz angesichts der Greuel von Srebrenica noch mit dem Diktum „Nie wieder Auschwitz“. Den Krieg ohne UN-Mandat zu beginnen, war damals kein Problem. Sechs Einsätze auf drei Kontinenten, von Kosovo bis Kenia, von der Beobachtermission bis zum Kampf gegen den Terror. Mehr als 9.000 deutsche Soldaten stehen zurzeit im Auslandseinsatz. Das ist die deutsche Realität im Jahre 2003.
Doch beim Irak-Konflikt gelten andere Spielregeln: Jetzt heißt es plötzlich „Nie wieder Krieg“. Und falls doch, dann bitte nur mit den Vereinten Nationen. Die außenpolitische Diskussion dreht sich ausschließlich um die „eigennützigen“ Kriegspläne der USA. Und gegen den „größten Kriegstreiber aller Zeiten – George W. Bush“, wie es auf einem Demoplakat hieß. Die Bundesregierung heizt diese Stimmung bewusst an. Mit Friedensrhetorik und antiamerikanischen Äußerungen konnte Rot-Grün schließlich auch die Wahl gewinnen.
Welches Interesse wirklich hinter der deutschen „Friedenspolitik“ steht, wird verschwiegen. Die deutsch-irakischen Wirtschaftsbeziehungen sind traditionell eng und sollen nicht gefährdet werden. Deutschland ist einer der Hauptexporteure in die Länder des Nahen Ostens. Eine politische und wirtschaftliche Neuordnung der Region kann sich für Deutschland nur negativ auswirken. Also stützt man das diktatorische Regime Saddam Husseins lieber, als es sich mit ihm zu verscherzen. Hinter der Parole „Kein Blut für Öl“ verbirgt sich unausgesprochen der Gedanke „Frieden für deutsche Wirtschaftsprofite“. Mit der Kritik an den Kriegsplänen der US-Regierung vertritt Deutschland vor allem seine eigenen wirtschaftlichen und strategischen Interessen.
Die deutsche Friedensbewegung unterstützt den scheinheiligen Anti-Kriegs-Kurs der Bundesregierung, distanziert sich nicht hinreichend von antiamerikanischen Ressentiments und nimmt die Gefährdung des von Feinden umgebenen Staates Israel nicht wahr. Eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Thematik könnte den Blick dafür schärfen, dass es der Bundesregierung vielleicht weniger um die „gute Sache“ geht als vielmehr um ihre ganz eigenen Interessen in der Welt. Minister Struck lässt grüßen.
erschienen in:
Submarine 2003-1