E-card nach Stalingrad

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Militarismus & Außenpolitik E-card nach Stalingrad

Über die Imagepflege der Bundeswehr.

Wenn Freunde eine e-card schicken, gucken dort meistens etwas dumm grinsende Figuren vom Desktop. Die Sprechblase sagt: „E-card für Dich“. Bei den e-cards der Bundeswehr ist das ähnlich, nur hier rollt ein dumm grinsender Soldat im Kampfanzug mit Skateboard einen Berg herunter und salutiert. Der Rest ist wie sonst auch: bunt und hip. Mit den e-cards können getreue Deutsche digitale Seeflotten, Panzer und Soldaten im Einsatz in alle Welt schicken, so wie es Rot/Grün praktisch vormacht. Die Bundeswehr bedient sich mittlerweile Werbestrategien, die mensch bis vor kurzer Zeit nur von privaten Unternehmen kannte. Das Image zählt ...

Die Erkenntnis, dass ein jung-frisch- innovatives Image auch staatlichen Institutionen nutzbringend sein kann, macht die große Runde. Während die Bundesagentur für Arbeit PR-Kampagnen im Wert von mehreren Millionen Euro fährt, arbeitet auch die Bundeswehr an einer Selbstdarstellung, die auf den ersten Blick nur wenig mit traditionell militaristischen Werten, wie „Ordnung, Disziplin und Vaterland“ zu tun hat.

So hält die Bundeswehr auch eine eigene Jugendseite bereit. „Militärische Ausbildung“ ist dort nur einer von vielen Unterpunkten. Es werden auch zwei Wettbewerbe namens „Bundeswehr im Blick“ und „Kreativ für Toleranz“ beworben, um tolle Fotos und Artikel über die Bundeswehr zu sammeln und auszuzeichnen. Weiterhin ist der eigentliche Jugendserver (Achtung Monsterwortspiel) > verlinkt. Dort kann mensch dann aufgepeppte Videos über allerlei Waffengattungen sowie mehrere Spiele, z.B. Memory mit Panzern, downloaden. Referate über die Bundeswehr sind „in construction“ (Wenn das wüsste.) und das Chatroomthema im März war: Schnellboote. Wer weiß, was nächsten Monat kommt. Vielleicht Flächenbombardements.

creative killing

Hätte die Bundeswehr nicht eine professionelle Werbeagentur beauftragt, könnte fast der Eindruck entstehen, die Bundeswehr würde sich mit Popkulturtheorien beschäftigen. Der Plan, Jugendliche dort abzuholen, wo sie gerade sind, um sie dann erst ans eigene, militärische Thema heranzuführen, wird konsequent umgesetzt. Nicht mehr traditionelle Werte sind der Ansatzpunkt, um vor allem Jugendliche für den Dienst im Heer zu begeistern, sondern vielmehr das Interesse an Technik und dem Bereisen fremder Länder. Das Ganze klingt nach „Jugend forscht“ mit Schüleraustausch, doch heißt real Bomben vom Balkan bis zum Hindukusch.

Die Bundeswehr will durch das Beschwören neuer Offenheit auch eine breitere Verankerung in der Bevölkerung abseits der Wehrpflicht erreichen. Denn wenn die Bundeswehr mit ihrem militärischen Drill jetzt auch noch kreativ ist und sich für Toleranz einsetzt, sind die Zeiten in denen das Militär als eigenbrötlerisch und potentiell gefährlich für eine Demokratie betrachtet wurde, anscheinend endgültig vorbei.

Abiball auf dem Kasernenhof

Die Absicht sowie die Motivation sind ziemlich klar. Die Zahlen der Kriegsdienstverweigerer sowie Totalverweigerer sind seit Jahren konstant steigend. Obwohl die Akzeptanz der Bundeswehr eher zunimmt, muss auch die Bundeswehr mittlerweile um Spitzenkräfte werben wie jedes privatwirtschaftliche Unternehmen. Deshalb ist der vollzogene Imagewechsel gezielt abgestimmt auf die Anforderungen an künftige Soldaten, - z.B. die Fähigkeit, mit komplexer werdender Technik umgehen zu können oder in mindestens einer weiteren Fremdsprache bei Auslandseinsätzen sattelfest zu sein.

Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Teile der Bundeswehr in eine zukünftige europäische Armee eingegliedert werden und die verteidigungspolitischen Richtlinien eine Spezialisierung der militärischen Fähigkeiten vorgeben, während die Wehrpflicht wohl auf absehbare Zeit wegfallen wird, ist nun auch das Militär darauf aus, gut gebildete, aufstrebende Abiturienten, also junge Männer zu rekrutieren, die die genannten Qualifikationen besitzen.

Trotz allem: Die Bundeswehr ist kein hipper Jugendclub, kein Übungsplatz für Hobbybastler oder Spielplatz für Toleranz- und Demokratieprojekte. Sie funktioniert über Pflicht und Gehorsam, tötet im Zweifelsfall und steht in der Tradition der Wehrmacht. Daran wird sich nichts ändern, solange sie existiert.

Wer noch Fragen hat, kann sich auf genannter Homepage direkt an den Obergefreiten Alexander wenden. Doch Vorsicht, zur Begrüßung stellt er gleich klar: „Am besten kann ich dich verstehen, wenn du deine Fragen in einem kurzen und vollständigen Satz formulierst.“ Zu Befehl.

erschienen in:
campodrom - Zeitung zum antimilitaristischen Pfingstcamp (2004)