De*fence the Krauts!

veröffentlicht am Rassismus & Migration

Rassismus & Migration De*fence the Krauts!

Eine Stellungnahme zum Aufruf der De*fence-Kampagne anlässlich des 15. Jahrestages der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl

Deutschstunde

„Das Wechselspiel zwischen Regierenden und Regierten hat in den vergangenen zwei Jahren prächtig geklappt. Bis Rostock und Mölln waren es die Pogrome und alltäglichen Angriffe auf Flüchtlinge und MigrantInnen, die angefeuert vom Applaus der StaatsbürgerInnen den (...) ‚Handlungsbedarf' zur Verschärfung der Asylbestimmung legitimierten. Seit Herbst 1992 stehen dafür die Lichterketten; sie (...) signalisieren Einverständnis. Denn jetzt, da das leidige ‚Asylproblem' endlich erledigt wird, fordern die ‚anständigen Deutschen' (...) die Herrschenden auf, gleichfalls der unmittelbaren Brutalität faschistischer Überfälle Einhalt zu gebieten.“

Wohlfahrtsauschuss Frankfurt/Main, Frühjahr 1993

Wenn die Abschaffung des Asylrechts vor 15 Jahren einen Einschnitt markiert, an dem sich Linke ihrer Geschichte erinnern, dann täten sie gut daran, sich der eigenen Marginalität und Ohnmacht zu erinnern. Dass das Asylrecht als eine Konsequenz aus dem Nationalsozialismus 1992/93 zur Disposition stand und erfolgreich abgeschafft werden konnte, ist ohne Einbeziehung der geschichtspolitischen Debatten und der völkischen Implikationen der Vereinigung nicht erklärbar. Denn die Streichung von Artikel 16 aus dem Grundgesetz als legislatives Resultat einer mehrjährigen Anschlags-und Pogromserie demonstrierte nach der deutschen „Wiedervereinigung“ vor allem die Dominanz deutschnationaler und rassistischer Vorstellungen in Deutschland, die sich mit der „geistigmoralischen Wende“ zu Beginn der Ära Kohl wieder unbefangener Gehör verschafften (Bitburg, Historikerstreit, Asyldebatte der 1980er Jahre, usw.). Schon 1990 mobilisierte die antinationale Linke bei der „Nie wieder Deutschland“-Demonstration höchstens 15.000 Menschen gegen die „Vereinigung“. Bei der Bundestagsblockade 1993 waren es etwa 6.000, zum größten Teil aus dem autonomen, feministischen und antirassistischen Spektrum. Umso irritierender mutet es an, wenn im Aufruf zur De*fence-Demonstration „100.000ende Flüchtlinge und radikale Linke, Liberale und Grüne, Kirchen, GewerkschafterInnen, BürgerrechtlerInnen, MigrantInnenverbände, Einzelpersonen und viele mehr“ genannt werden, die sich damals angeblich der Asylrechtsabschaffung entgegengestellt haben sollen. Als hätte es den autonomen Eierhagel auf Weizsäcker und andere Politprominenz am 8. November 1992 auf der Abschlusskundgebung der „Die Würde des Menschen ist unantastbar“Demonstration in Berlin nie gegeben, als hätten Autonome nicht den Charakter der Lichterketten als Irrlichter des guten Deutschlands kritisiert, als hätte sich die linksliberale Öffentlichkeit 1993 nicht nahezu vollständig verabschiedet, erfindet der De*fence-Aufruf eine breite Protestallianz. Die Abschaffung des Asylrechts wird so mMobilisierungsgerecht auf ein Beispiel für den „schubweisen Abbau von Menschen-, Freiheits-und BürgerInnenrechten auf vielen Ebenen“ reduziert, gegen den aktuell Widerstand geleistet werden soll. Anschließend werden diese „Angriffe“ mit der sicherheitspolitischen Verschärfung nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 kurzgeschlossen. Der Versuch, die Verantwortung für die innerdeutschen Diskurse an den 11. September zu knüpfen, überspringt dabei die zahlreichen Ausgrenzungs-, Normalisierungs-und Sicherheitsdiskurse der 1990er Jahre (Staatsbürger_innenschaftsdebatte, Out of Area-Einsätze, Bundeswehr im Inneren, Lauschangriff, Wehrmachts-ausstellung, Goldhagen-Debatte, Walser-Debatte, „Aufstand der Anständigen“ usw.).

Rassistischer Konsens

„Weil wir die [deutsche] Population nicht nach gesellschaftlich marginalen Positionen beurteilen können, sondern danach, wie die erdrückende Mehrheit denkt und handelt.“ – Frankfurter MigrantInnen, Dez. 1991

„Rassistisch ist der Konsens, dass es ‚hier' ein Ausländerproblem gibt. Konkret: Dass das Problem dort beginnt, eines zu sein, wo die RepräsentantInnen des ‚wir' oder ‚hier' auf ‚andere' – in ihren Augen: TrägerInnen von Fremdheit – treffen.“ – autonome l.u.p.u.s. gruppe, Okt. 1994

Der Aufruf zur De*fence-Demonstration drückt sich um einige entscheidende Begriffe, mit denen deutlich zu machen wäre, warum 1993 das Asylrecht für politische Verfolgte abgeschafft wurde. So kennt der Text zwar „Medien und Politik“, die eine Kampagne gegen Asylbewerber_innen inszenierten, die sich in „pogromähnlichen Ausschreitungen gegen Flüchtlinge“ fortsetzte, aber keine deutschen Täter_innen, die die Serie rassistischer Morde, Brandanschläge, Pogrome, Überfälle und Pöbeleien durchführten, beklatschten, plausibilisierten, entschuldigten, verharmlosten, relativierten und „Einzeltätern“ zuschrieben. Der rassistische Konsens innerhalb der deutschen Mehrheitsbevölkerung, nach der die Anwesenheit von als „Ausländer_innen“ wahrgenommenen Menschen ein Problem darstellt, das „gelöst“ werden muss, also der Nenner, der die rassistische Hegemonie innerhalb Deutschlands auf den Punkt bringt, taucht im De*fence-Papier ebenso wenig auf wie alle Spielarten des Alltagsrassismus, der Stigmatisierungen und Ausgrenzungen von Migrant_innen, People of Color und Flüchtlingen durch Deutsche. Wo die Nennung der Täter_innen ausbleibt, verlieren auch die rassistischen Taten an Gewicht. Diese werden zu bloßen Folgen, zur „Fortsetzung“ der politisch-medialen Kampagne. Die rassistische Dynamik aber, die sich zwischen deutschen Täter_innen der Straße, applaudierendem Mob, Zaungästen und Lokalpolitiker_innen, rassistisch motivierten „Polizeipannen“ und den Beschwichtigungs-, Erklärungs-und Lösungsversuchen für die „Ausländerfrage“ entwickelt hat, wird auf diese Weise zum Verschwinden gebracht. Nur wenn „Medien und Politik“ als Schreibtischtäter_innen die Hauptverantwortung tragen, geht die Rechnung auf, die im Rückblick auf 1993 „100000ende“ erkennen will, die gegen „den Einbruch in Grund-und Menschenrechte und die Bedrohung von Leib und Leben“ protestierten.

Antinationalismus

„Eine der vornehmsten Aufgaben linker Opposition dieser Tage ist der Anti-Nationalismus. Es gibt absolut kein befreiendes Moment in der Unterdrückung der sozialen Widersprüche hinter nationalen Worthülsen.“ – autonome l.u.p.u.s. gruppe, Okt. 1994

„Unweigerlich stellt sich die Frage nach dem Existenzrecht dieses Landes. Ihr müsst begreifen, dass wir kein, aber wirklich kein Interesse an einem ‚besseren Deutschland' haben.“ – Frankfurter MigrantInnen, Dez. 1991

Gegen die im De*fence-Aufruf vorgenommenen Auslassungen und Beschönigungen halten wir an der Notwendigkeit antinationaler Kritik an der Bevölkerung und ihrer Regierung fest. Dass die große Mehrheit der Deutschen bis heute ein „Ausländerproblem“ hat, muss als das benannt werden, was es im Kern ist: Rassismus. Deshalb sind Parteien wie die des rassistischen Hetzers Lafontaine, damals einer der Hauptprotagonisten der Asylrechtsabschaffung auf Seiten der SPD, für uns keine Bündnispartner_innen. Den Standortnationalismus von Teilen der Linkspartei lehnen wir eben ab wie den Verfassungspatriotismus oder das „gute Deutschland“ der Grünen.

Antinationalismus schließt Bündnisse und Bewegungspolitik keineswegs aus, aber gerade die Ereignisse, an deren Ende die Abschaffung des Asylrechts standen, machen eine leichtfertige Bezugnahme auf die deutsche Bevölkerung unmöglich. Und natürlich bleibt es jenseits unserer Kritik vollkommen richtig und wichtig, die sofortige Wiederherstellung des alten Asylrechts und ein Ende aller rassistischen Sondergesetze und sonstiger administrativer Schikanen zu fordern und durchzusetzen – nicht für ein „besseres“, sondern gegen Deutschland.

Gruppe Subcutan, Jungdemokrat_innen/Junge Linke Brandenburg, Naturfreundejugend Berlin, Juni 2008

Das bisschen Totschlag
(Die Goldenen Zitronen, 1994)

So so betroffen und zornig so plötzlich sie hatten nachgezählt sie entschieden 17 Tote seien jetzt genug ja die Härte des Rechtsstaats ganz genau zumal es waren ja anständige Ausländer steuerzahlende Möllner fast wie du und ich Nachbarn können das bezeugen 'Heil Hitler!' wurde gesagt der erste Tote dieses Wochenendes wurde nicht mit aufgeführt sogenannter Autonomer abgestochen von stolzen Deutschen verblutet auf dem Bahnsteig mitten in Berlin aber aber nichts weiter als rivalisierende Jugendbanden

Das bisschen Totschlag bringt uns nicht gleich um hier fliegen nicht gleich die Löcher aus dem Käse take it easy altes Haus wir haben schon Schlimmeres gesehn so einfach wird der alte Dampfer auch nicht untergehn

Genau genommen war man auch schon vorher ab und zu betroffen gewesen am 8. November '92 in Berlin etwa 60.000 alle mit dabei die Würde des Menschen und die höchsten Würdenträger ja betroffen unerwartet gab es den Kursus 'Gewalt sinnlich erleben' Nazis?

Fast. Autonome so genannte selbsternannte Menschenfreunde und schon fühlte man sich auch ein bisschen fremdengehasst sie hatten nämlich Angst denn es flogen nein keine Brandsätze aber Eier und die nicht zu knapp doch sie blieben tapfer sie würden sich nicht beugen vor welchem Mob auch immer und übrigens auch nicht vor Missbräuchern und Schmarotzern der wie sagt man Flut eben letzteres sagten sie anderntags nicht zu laut in sachlichem Ton und mit vereinigten Kräften brachten sie ihr Gesetz durch

Das bisschen Totschlag...

Ja und dann wie gesagt sie hatten nachgezählt ging ein Ruck durch die deutsche Mannschaft muss ja das gerede wurde lauter und lauter außerhalb des deutschen Planeten also nichts wie 'Pack die Lichterkette ein nimm dein kleines Schwesterlein' Schweigen gegen den Hass in der schönen Weihnachtszeit ein Zeichen setzen nein hier wurde niemand ausgegrenzt im Wettbewerb der Leuchten mancherorts leuchtete man gar gegen Hass und alliierte Bomben Rabimmel Rabammel Rabumm Nun denn Schultern geklopft Hände geschüttelt Nun wars amtlich man hatte kollektiv böse geträumt und nicht schlimmer als anderswo übrigens

Das bisschen Totschlag bringt uns nicht gleich um sagt mein Mann ich kann den Scheiß einfach nicht mehr hörn sagt mein Mann ist ja gut jetzt alte Haut wir ham schon schlimmeres gesehn und ich sag noch 'Lass uns endlich mal zur Tagesordnung übergehn'