Braune Militärkultur der Bundeswehr I
Braune Militärkultur der Bundeswehr I
Von Reinhard Günzel und anderen „Einzelfällen“.
Im November 2003 sorgte der Kommandeur der Elitegruppe „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) der Bundeswehr Reinhard Günzel für Aufregung. Günzel hatte in einem Schreiben die antisemitische Rede von Martin Hohmann am 3. Oktober 2003 zustimmend gelobt. Der schon zuvor durch rechtsradikale Vorfälle in seiner Truppe auffällig gewordene General ermutigte den CDU-Politiker sogar, seinen Kurs gegen „das jüdische Tätervolk“ bei zu behalten.
Verteidigungsminister Peter Struck entließ das „schwarze Schaf“ umgehend aus dem militärischen Dienst. Der Kommandeur sei „verwirrt“ und Antisemitismus in der Bundeswehr nur ein „Einzelfall“. Helmuth Prieß, der Sprecher des Darmstädter Signals, eines Zusammenschlusses kritischer Soldaten, beurteilte den Vorfall jedoch anders: „Wer wie Günzel über 30 Jahre Offizier der Bundeswehr war, der hat nicht die ganze Zeit Kreide gefressen, der hat seinen geistigen Hintergrund auch im Dienst zum Ausdruck gebracht. Und mit seiner Meinung ist er offensichtlich nicht angeeckt.“
In den letzten Jahren gab es immer wieder Fälle von rechtsradikalen Gewalttaten von Bundeswehrsoldaten und im Januar 1995 wurde sogar der bekannte Neonazi Manfred Roeder an die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg eingeladen. Hinter diesen „Einzelfällen“ verbirgt sich jedoch nur die Spitze des Eisberges einer rechtsradikalen
Militärkultur, die seit eh und je in der Bundeswehr blüht und gedeiht. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Soldaten überwiegend zum national-konservativ denkenden Teil der Gesellschaft gehören. Rechts gesinnte Männer fühlen sich von Werten wie Ordnung, Pünktlichkeit und Disziplin angezogen und zeichnen sich durch ihre hohe Akzeptanz hierarchischer Führungsstrukturen aus. Bei Beförderungen werden diejenigen bevorzugt, die sich perfekt in die militärische Struktur eingliedern und dem eigenen Denken, der Kreativität und Individualität abgeschworen haben. Der unkritische Rückgriff auf Symbole der Wehrmacht, das Leugnen der Mittäterschaft von Wehrmachtssoldaten und das regelmäßige Feiern dieser als Helden geben rechtsradikalen Strukturen zusätzlich Aufwind. Andererseits führen Kameradentreue, das Soldatengesetz, welches die Zurückhaltung bei politischen Äußerungen vorschreibt, und das Wissen um die Wahrung des Rufs der Bundeswehr dazu, dass wenig Vorfälle gemeldet werden und militärische
Eliten den Mund halten.
Neben dem rechtsradikalen Gedankengut innerhalb der Bundeswehr entwickelt sich seit einigen Jahren ein „Kämpferethos“, der durch die Umwandlung in eine international kämpfende Interventionsarmee bestärkt wurde. Die politische Bildung tritt in der Ausbildung der Soldaten hinter Techniklehre und Kampfeinsatzübungen klar zurück.
In der Bundeswehr gedeiht ein Milieu, das durch die autoritäre Militärkultur, den verstärkten Traditionalismus und die ohnehin rechtslastigen Jugendlichen, die in die Bundeswehr drängen, entsteht und sich zu einem gefährlichen Pulverfass in den deutschen Kasernen aber auch in den Truppen in Afghanistan, Kosovo und an anderen Standorten entwickelt. Durch politische Bildung und das Palavern vom demokratieliebenden „Bürger in Uniform“ ist dieser Entwicklung kaum beizukommen, denn immer dort, wo Autorität, Disziplin und Nationalismus beschworen werden, muss man sich über Rechtsradikalismus nicht wundern.
erschienen in:
campodrom - Zeitung zum antimilitaristischen Pfingstcamp (2004)