Kein Mensch ist illegal!

veröffentlicht am Rassismus & Migration

Rassismus & Migration Kein Mensch ist illegal!

Bleiberecht und gleiche Rechte für alle!

“Ihr sollt wissen, daß kein Mensch illegal ist. Das ist ein Widerspruch in sich. Menschen können schön sein oder noch schöner. Sie können gerecht sein oder ungerecht. Aber illegal? Wie kann ein Mensch illegal sein?"
(Elie Wiesel, Nobelpreisträger)

Asyl ist Menschenrecht!

MigrantInnen und Flüchtlinge sind in Deutschland und Europa unerwünscht. Wie aus den Diskussionen um ein Zuwanderungsgesetz deutlich hervorgeht, will man hier nur diejenigen MigratInnen beherbergen, die für den “Standort Deutschland” von Nutzen sind. Menschen aber, die vor Hunger, Krieg, Verfolgung oder schlicht einem nicht lebenswerten Leben fliehen, schlägt man die Tür vor der Nase zu. Das Asylrecht wurde zu diesem Zweck 1993 bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.

Noch in der Zeit des Nationalsozialismus gab es keine Möglichkeit für die zahlreichen Flüchtlinge, ein Recht auf Asyl in Anspruch zu nehmen. Statt dessen waren sie auf das Wohlwollen anderer Staaten angewiesen, was viele das Leben kostete. Daraus wollte man bei der Verabschiedung des Grundgesetzes seine Lehren ziehen. Mit dem einfachen Satz “Politisch Verfolgte genießen Asyl.” wurde 1949 erstmals ein einklagbares Recht auf Asyl verankert.

Nach einer beispiellosen Hetze gegen AsylbewerberInnen in den 1980er und Anfang der 1990er Jahre, in denen Flüchtlinge mit Parasiten, Schmarotzern und Naturkatastrophen gleichgesetzt wurden, schränkte die schwarz-gelbe Regierung 1993 unter Mithilfe der SPD das Asylrecht derart ein, dass von einer Abschaffung dieses Rechts gesprochen werden muss. In Deutschland kann seitdem nur noch einen Asylantrag stellen, wer nicht zuvor über ein sog. “Sicheres Drittland” eingereist ist. Da Deutschland von “Sicheren Drittstaaten umgeben ist, ist es unmöglich, auf dem Landweg legal nach Deutschland einzureisen. Durch die Festlegung “Sicherer Herkunftsstaaten” wird Verfolgung in diesen Staaten pauschal für unmöglich erklärt. Die Einführung des Flughafenverfahrens führte zur Errichtung unmenschlicher Verwahranstalten auf dem Flughafengelände. Flüchtlinge sollen so gar nicht erst die Möglichkeit erhalten, deutsches Territorium zu betreten, um einen Asylantrag zu stellen. In den Flughafenknästen haben sie keinen Zugang zu einem selbstgewählten Anwalt und kaum psychologische Betreuung. Regelmäßig gibt es Selbstverstümmelungen und Selbstmordversuche.

  • Die *Naturfreundejugend Berlin setzt sich für die komplette Wiederherstellung des Grundrechts auf Asyl ein. In Deutschland oder Europa zu leben, ist kein Exklusivrecht für wenige. Flughafenknäste schließen!

Keine Festung Europa!

Auch innerhalb der Europäischen Union wurde unter Federführung der Bundesregierung eine gegen Flüchtlinge und MigrantInnen gerichtete Politik etabliert. Mit dem Schengener Abkommen von 1995 wurden die Grenzen nach innen zwar für den Waren- und Personenverkehr geöffnet. Gleichzeitig verschärfte man die Kontrollen und Überwachung der Außengrenzen der Europäischen Union massiv. Alle Nicht-EU-BürgerInnen werden an den Grenzen aufs Schärfste kontrolliert, ihre persönlichen Daten werden einheitlich erfasst und gespeichert. Wie Kriminellen werden ihnen Fingerabdrücke genommen. Damit soll verhindert werden, dass Flüchtlinge nach der Ausweisung wieder einreisen, um in einem anderen EU-Land einen Asylantrag zu stellen. In der gesamten EU gilt das Prinzip “one chance only”. Mit dem Leben von Menschen wird zynisch wie mit Lotteriegewinnen verfahren. Obwohl in den einzelnen Staaten der EU durchaus unterschiedliche Anerkennungspraxen herrschen, kann, wer in Deutschland abgelehnt wurde, sein “Glück” nicht noch einmal in Frankreich versuchen.

Ziel der erhöhten Grenzkontrollen ist es, Flüchtlinge gar nicht erst ins Land hinein zu lassen. Das vermeintlich freizügige Europa erscheint an seinen Außengrenzen wie eine militärisch gesicherte Festung. An der deutschen Grenze nach Polen, die vorerst noch EU-Außengrenze ist, sind - allein in Brandenburg - mehr als 3000 Bundesgrenzschutzbeamte, zahlreiche Hilfspolizisten und weitere Beamte des Zoll im Einsatz. Mit Infrarotkameras, CO2-Sonden, Hubschraubern und Hunden wird in der Dunkelheit Jagd auf Flüchtlinge gemacht. Allein zwischen 1993 und 1998 sind dabei nach offiziellen Angaben 57 Menschen ums Leben gekommen. Die Dunkelziffer dürfte weit darüber liegen.

  • Die Naturfreundejugend Berlin tritt für offene Grenzen und das Recht aller ein, selbst zu entscheiden, wo sie leben wollen. Gegen eine Festung Europa!

Gegen staatlichen Rassismus!

Diejenigen, denen die Einreise unter diesen Bedingungen dennoch gelingt, erwarten in Deutschland zahlreiche diskriminierende Gesetze und rassistische Bürokraten. Im Asylbewerberleistungsgesetz, das ebenfalls 1993 in Kraft trat, ist geregelt, dass Flüchtlinge im laufenden Asylverfahren sowie Bürgerkriegsflüchtlinge, die vorübergehend geduldet werden, nur 80 Prozent der als Existenzminimum definierten Sozialhilfe erhalten. Das Geld wird ihnen in den meisten Kommunen nicht bar, sondern in Form von Gutscheinen ausgezahlt, mit denen nur in bestimmten Läden eingekauft werden kann. Wechselgeld wird nicht ausgezahlt. Das Angebot an Nahrungsmitteln ist in der Regel nicht auf die Essgewohnheiten der Menschen zugeschnitten. Zigaretten, Zeitungen, Bücher oder Alkohol kann man über die Gutscheine gar nicht beziehen. Das einzige Bargeld, über das AsylbewerberInnen verfügen können, sind ca. 40,- Euro Taschengeld monatlich. Von diesem Geld müssen Anwalts- und Fahrtkosten sowie zusätzliche Ausgaben für Nahrung und Kleidung bestritten werden. Arbeiten dürfen Flüchtlinge während des Asylverfahrens nicht. Auch in Sachen Gesundheitsversorgung sind AsylbewerberInnen offenbar Menschen zweiter Klasse in Deutschland. Arztkosten werden nur für absolut notwendige lebensrettende Maßnahmen übernommen. Medikamente und Behandlungen nicht akuter Krankheiten müssen von dem Taschengeld finanziert werden. In den meisten Fällen werden AsylbewerberInnen zentral in Asylbewerberheimen untergebracht, wo sie sich ein kleines Zimmer mit mehreren Personen teilen müssen. Der jedem Einzelnen zuzubilligende Raum beträgt gerade mal 4-6m², weniger als einem Schäferhund laut Tierschutzgesetz zusteht.

Aufgrund der Residenzpflicht dürfen AsylbewerberInnen ihren Landkreis nur mit Zustimmung amtlicher Stellen verlassen. Wer ohne vorherigen begründeten Antrag von Potsdam nach Berlin reist, macht sich damit strafbar und füllt die Polizeiliche Kriminalstatistik, die Straftaten gesondert unter dem Blickwinkel der Nationalität des Täters erfasst. Damit wird der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, es gäbe einen besonderen Zusammenhang zwischen der Herkunft und der Kriminalitätsneigung”. Nicht-Deutsche seien krimineller als Deutsche. Unbeachtet bleibt, dass es Straftaten gibt, derer sich Deutsche gar nicht schuldig machen können. Deutsche werden nicht “kriminell”, wenn sie sich frei bewegen, sich eine Arbeit suchen, sich für ihre Rechte zusammen schließen. Flüchtlinge schon.

  • Die Naturfreundejugend Berlin fordert die sofortige Abschaffung aller rassistischen Sondergesetze für Flüchtlinge und MigrantInnen. Wir engagieren uns gegen Rassismus in Staat und Gesellschaft: Gleiche Rechte für alle!

Gegen das Geschäft mit der Abschiebung!

Durch die massive Einschränkung des Asylanspruchs ist die Anerkennungsquote kontinuierlich gesunken. Derzeit liegt sie nur noch bei 3-4 Prozent, was als Bestätigung des angeblichen “Asylmissbrauchs” gesehen wird. Keineswegs werden aber alle abgelehnten AsylbewerberInnen umgehend abgeschoben. Viele erhalten ein Bleiberecht aufgrund internationaler Abkommen, wie der Genfer Flüchtlingskonvention, die auch Deutschland unterzeichnet hat. Dort ist der Flüchtlingsbegriff sehr viel weiter gefasst und schließt auch geschlechtsspezifische und religiöse Verfolgung sowie humanitäre Gesichtspunkte mit ein. Andere Länder unterliegen einem Abschiebestopp, weil es unmenschlich wäre, Flüchtlinge dorthin zurück zu schicken. Ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten diese Menschen aber nicht.

Jährlich werden etwa 40.000 Menschen aus Deutschland in ihre Herkunftsländer oder “Sichere Drittstaaten” abgeschoben, von wo aus sie meist in Kettenabschiebungen über kurz oder lang ebenfalls im Fluchtland landen. Viele verbringen zuvor Monate in Abschiebehaft. Ihr Vergehen ist es, in Deutschland um Asyl gebeten zu haben. Wie Strafgefangene leben sie hinter vergitterten Fenstern, dürfen mit BesucherInnen nur durch Trennscheiben sprechen, haben lediglich 1 Stunde täglich die Möglichkeit, sich im Freien aufzuhalten und wissen nicht, wie lange sie noch festgehalten werden. Allein im Berliner Abschiebeknast Grünau gab es zu Beginn dieses Jahres fast 30 Selbstmordversuche und zahlreiche Selbstverletzungen. Durch Hungerstreiks versuchten die Flüchtlinge ihre Freilassung oder wenigstens die Verbesserung der Haftbedingungen zu erzwingen.

Diese umfangreiche Abschiebepolitik wäre nicht denkbar, ohne die Mithilfe von Fluggesellschaften. Ca. 2 Drittel aller Abschiebungen finden auf dem Flugwege statt, davon etwa 15.000 - 20.000 mit der Lufthansa. Allein in Lufthansamaschinen sind bisher zwei Menschen bei ihrer Abschiebung getötet worden. 1994 verabreichten Bundesgrenzschutzbeamte und ein anwesender Arzt dem wie ein Paket verschnürten Nigerianer Kola Bankole eine Beruhigungsspritze. Daraufhin erlag er einem Herzinfarkt. 1999 erstickte der Sudanese Aamir Ageeb noch vor dem Start am Frankfurter Flughafen. Beamte des Bundesgrenzschutzes hatten ihm einen Motorradhelm übergestülpt und seinen Oberkörper mit Gewalt zu den Knie gedrückt, bis Ageeb keine Luft mehr bekam.

Die Naturfreundejugend Berlin fordert die sofortige Schließung aller Abschiebeknäste und den Stopp aller Abschiebungen. Wir engagieren uns mit anderen gegen die bundesdeutsche Abschiebepolitik, indem wir gegen Abschiebungen an Flughäfen protestieren, Flüchtlinge bei ihren Protesten unterstützen und Passagiere und FlugbegleiterInnen auffordern, Abschiebungen zu verhindern.

  • Die Naturfreundejugend Berlin fordert die Lufthansa und alle anderen Fluggesellschaften auf, sich nicht weiter am Abschiebegeschäft zu beteiligen. Wir unterstützen aktiv die Kampagne “deportation class - Gegen das Geschäft mit Abschiebungen”.

Kein Mensch ist illegal!

In Deutschland leben derzeit schätzungsweise 1 Millionen Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere. Im Behördendeutsch sind sie einfach nur “Illegale”. Einige von ihnen sind “illegal” über “Sichere Drittstaaten” eingereist, andere kamen mit einem Touristen- oder Studentenvisum, was nun nicht mehr gilt. Wegen der geringen Chancen auf ein dauerhaftes Bleiberecht oder der drohenden Abschiebung tauchen wieder andere in die Illegalität ab. Ohne gültige Papiere sind sie in Deutschland vollkommen rechtlos. Um zu überleben, sind sie gezwungen jede Form der Arbeit zu noch so schlechten Bedingungen anzunehmen. Gegen Ausbeutung und Lohnbetrug können sie sich kaum zur Wehr setzen. Ihr Alltag ist von der Angst, entdeckt zu werden, bestimmt. Ihre Kinder können nicht zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen, es sei denn, sie werden vom Direktor gedeckt. Viele verzichten auf ärztliche Hilfe, aus Angst, angezeigt zu werden. Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden, wagen es nicht, die Täter anzuzeigen, weil ihnen selbst dann die Abschiebung droht.

  • Die Naturfreundejugend Berlin setzt sich für die Legalisierung aller Menschen ohne Papiere ein: Gleiche Rechte für alle! Sozial- und tarifrechtliche Standards dürfen nicht vom Aufenthaltsstatus abhängig sein. Wir sprechen uns gegen die Denunziationspflicht von Behörden, LehrerInnen und ÄrztInnen aus. Bildung und Gesundheitsversorgung muss allen Menschen zugänglich sein.