1989 bekam die Frauen-Nationalelf vom DFB für den erste Europameister-Titel eine hausfrauengerechte Prämie: ein Kaffee- und Tafelservice. Zumindest bei den Geschenken hat es sich leicht gebessert...

Fußballspielen wie echte Männer

#1

Bei der Männer-Fußball-EM 2004 bewies ARD-Fernsehkommentator Steffen Simon, dass er im Biologieunterricht genau aufgepasst hat: “Vielleicht sollte er [Totti] sich in der Halbzeit mal diese Mädchenfrisur wegmachen und anfangen, wie ein Kerl zu spielen.” Jede_r weiß sofort was damit gemeint ist: Totti spielt langweilig, brav, zurückhaltend. Alles Eigenschaften, die im Fußball nichts zu suchen haben und für den gemeinen Fan und Kommentator „weiblich” sind. „Richtige Männer” hingegen spielen harten, umbarmherzigen, zielbewussten Fußball. Hier werden Stereotype reproduziert, die für den Männerfußball elementar sind. Er lebt von einer klaren Grenzziehung zwischen dem was Fußball-konform und damit besonders „männlich” ist und dem was dem Fußballmythos schadet und als „weiblich” oder „schwul” ab-
gewertet wird. Schon allein in der Unterscheidung zwischen Fußball und Frauen-Fußball wird deutlich, dass Fußball per se etwas ist, das von und für „echte” und damit heterosexuelle Männer existiert. Mädchen wachsen mit der Gewissheit auf,
dass sie weder Fußball spielen wollen, noch können. Wenn eine Frau die Barriere zwischen ihrem gesellschaftlichen Geschlecht und dem Fußball durchbricht, tritt sie in einen Graubereich der zu Verwirrung in der Geschlechterwelt führt. Genauso ist ein Fußball spielender Mann, der dem Ideal der Heterosexualität nicht entspricht und damit die ‚Reinheit’ der Fußballordnung durcheinander bringt, für die Mannschaft, den Verein und die Fanszene kaum auszuhalten.

#2Zitat

Bei der Frauen-EM 2005 in England spricht sich der Uefa-Präsident Johannson für „attraktivere Kleidung“ der Spielerinnen aus. Damit könnten mehr Sponsoren angelockt werden. „Wenn man über dieses Thema spricht, ist sicher nichts dagegen zu sagen, wenn der Dress der Frauen auch nett aussieht. Sicher wäre es manchmal
schön, wenn man sehen könnte, dass es Frauen sind“.

#3Abenteuer Frauenfußball

Fußball spielende Frauen wurden bis 1970 auf Anweisung des Deutschen Fußballbundes (DFB) aus den Verbänden ausgegrenzt. Ihnen durfte kein Zugang zu den Sportplätzen gewährt werden. Doch auch seitdem der DFB zähneknirschend das Verbot aufhob, müssen Fußball spielende Frauen für ihre Anerkennung kämpfen. Zunächst wurde Frauen-Fußball durch spezielle Regeln (u.a. erlaubtes Handspiel, um den angeblich gefährdeten Busen zu schützen) vom Männerbund DFB bevormundet. Der Schutz des Fußballs vor den Frauen wird seit Ende des 19. Jahrhunderts nach denselben Mustern begründet: Fußball schadet der Weiblichkeit. Biologisch: Gefährdung der Gebärfähigkeit. Oder: Minderung weiblicher Sanftheit und Schönheit. Kontrolle, Lächerlichkeit, Abwertung und Sexualisierung waren lange Zeit Strategien der Männerwelt Fußball, Frauen den Zugang systematisch zu erschweren. Noch heute werden Fußball spielende Frauen als „Mannsweiber” bezeichnet. Das Etikett „Lesbe” ist dann nur noch die logische Fortsetzung.

#4Zitat

Gefragt, ob es denn in der Liga schwule Kicker gäbe, verneinte Schalke-Torwort Frank Rost 2002 und fügte unnötigerweise hinzu: „außerdem dusche ich immer mit dem Arsch zur Wand“.

#5Nationales Schmuckstück

Seit dem Hype um die Weltmeisterinnen von 2004 genießt Frauen-Fußball zum ersten Mal in der Geschichte ein Mindestmaß an Anerkennung. Offene Abwertung tritt seitdem in den Hintergrund. Es wird hervorgehoben, dass die Frauen doch technisch gut spielen würden und dass die Spiele keinesfalls langweilig seien. Mit jeder betonten Anerkennung wird Frauen-Fußball jedoch als exotische Sonderform des
eigentlichen (Männer-)Sports zementiert. Und mit der Männer-Fußball-WM wird wieder gezeigt, dass Frauen-Fußball letztlich doch nur ein nettes nationales Schmuckwerk ist. Die Fankultur als Hort der unbegrenzten Männlichkeit.
Zur Fußballfankultur gehört die Abwertung und Ausgrenzung alles „Weiblichen“ und „nicht Heterosexuellen“ genauso dazu, wie der Fanschal, die Bierdose und das dominante Auftreten. Schlechte Spieler werden als „Mädchen“ oder als „Schwuchtel“ beschimpft. Frauen werden mit Rufen „ausziehen, ausziehen“ begleitet. Die Macht der Fangruppe und das Feeling des Fußballs basiert maßgeblich auf der kollektiven Inszenierung von Männlichkeit und dem ‚richtigen’ Fanverhalten. Neben rassistischen Fangesängen dienen homophobe Beschimpfungen der Beleidigung des Gegners. Einerseits stellt man so die eigene Stärke und heterosexuelle Potenz heraus – andererseits beschmutzt man die Ehre der anderen als „echte” Männer. „Schwuch
tel” ist der Titel für mangelhafte Männlichkeit. Weibliche Fans werden nur akzeptiert,
wenn sie sich den Regeln des Fanverhaltens unterordnen. Sie müssen mit Fußballwissen brillieren, sexistische Kommentare kritiklos akzeptieren und an der Erniedrigung des Gegners teilhaben.

#6Zitat

Bei der Frauen-EM 2005 in England spricht sich der Uefa-Präsident Johannson für „attraktivere Kleidung“ der Spielerinnen aus. Damit könnten mehr Sponsoren angelockt werden. „Wenn man über dieses Thema spricht, ist sicher nichts dagegen zu sagen, wenn der Dress der Frauen auch nett aussieht. Sicher wäre es manchmal
schön, wenn man sehen könnte, dass es Frauen sind“.

#7Mit dem Arsch zur Wand

Aufgrund der Bedeutung des Fußballs für die Inszenierung von Männlichkeit ist es nur folgerichtig, dass es in der deutschen Fußballgeschichte bisher keinen Spieler gab, der sich öffentlich als homosexuell geoutet hat. Jemensch, bei dem nur die Möglichkeit der Homosexualität in Erwägung gezogen wird, wird als Gefahr der Mannschaft im Speziellen und des Fußballs im Allgemeinen gesehen. Die Fußballmannschaft kann nur so lange „unschuldig“ auf dem Rasen rumtollen,
so lange ihre Heterosexualität nicht angezweifelt wird. Der ‚Trick’ des Männerbundes besteht gerade darin, körperliche Nähe zwischen Männern zur Intensivierung des Zusammenhalts zuzulassen. Dieses ist jedoch nur so lange möglich, wie der Fußball frei von jeglicher Sexualität ist. Aufgrund homophober Angstphantasien werden schwule Männer von den anderen als Gefahr angesehen. Unvermeidlich wäre der ‚Ver-
dacht’ im Spiel, dass nicht Freude, sondern Begehren sie den körperlichen Kontakt suchen lässt. Gerade die homophobe Projektion, ein von durchtrainierten Männerkörpern umgebener Schwuler würde spätestens unter der Dusche „schwach” werden, verweist auf tief sitzende Ängste und diskriminierende Stereotype.

#8Sommer, Sonne, Männlichkeit

Die Fußballwelt ist ein Reservat ungebremster Maskulinität, in dem Veränderungen der Geschlechterverhältnisse kaum Wirkung zeigen. Das Fußballstadion – genauso wie die An- und Abfahrtswege – wird von Fans als Ort wahrgenommen, an dem „männliche” Verhaltensweisen besonders extrem ausgelebt werden können. Darum nehmen Frauen sie häufig als fremde Orte wahr. Männer sind unter sich und diese Exklusivität wird mit dem Verweis „so sei der richtige Fußball” zementiert. Männliche Macht ist genau auf solche Orte angewiesen. Fußball ist ähnlich wie Militär oder Stammtischkultur in Männerbünden organisiert: Verein, DFB, Mannschaft, Fanclub. In dem Kontakt untereinander wird beständig das hergestellt, was als „männlich” gilt. Sie haben somit die Funktion, Jungen frühzeitig beizubringen, was es bedeutet
ein „Mann” zu sein und sich dementsprechend zu verhalten.

Frauen können – wenn überhaupt – nur unter der Bedingung der kritiklosen Anpassung teilhaben. Obwohl die Sponsoren der Männer-WM Frauen und Mädchen zunehmend als lukrative Konsument_innen entdecken, bleibt das Spektakel von Männern dominiert. In der explosiven Kombination mit nationalistischem Gebaren werden Männergruppen ihre Männlichkeit vielerorts in Szene setzen. Fußball spielende Frauen und Mädchen, Schwule Vereine, weibliche Fußballfans, Fußballkommentartorinnen und die Erkenntnis, dass es total irrelevant ist, ob man weiß was die Abseitsregel ist, bringen die Fußballordnung ins Wanken. Wenn irgendwann