Ende der 90er Jahre riefen 30 Gruppen aus dem anti-rassistischen, kirchlichen und autonomen Spektrum dazu auf, der Flüchtlings-Verhinderungspolitik der Bundesregierung auf allen Ebenen Aktionen, Diskussionen und konkrete Unterstützung der Flüchtlinge entgegenzusetzen. Die Naturfreundejugend Berlin unterstützen Politik und Forderungen der Kampagne und beteiligen sich seit vielen Jahren mit eigenen Veranstaltungen und Aktionen.

kein mensch ist illegal

Konstruktion eines Problems

Trotz der Abschreckungsmaßnahmen seit dem Ende des Anwerbestopps für “Gastarbeiter” 1977 nahm die Zahl der AsylbewerberInnen ständig zu. Durch die Wiedervereinigung wurde der (versteckte ?) Rassismus in Deutschland sichtbar. Das tendentiell ohnehin ausländerfeindliche Klima verschärfte sich. Sowohl die Regierungsparteien als auch die bürgerlichen Medien arbeiteten eifrig an der Konstruktion eines „Problems“, das es nie gab. Rechts-konservative Kreise warnten gleichzeitig auch vor der Überfremdung, Bedrohung „unserer“ Kultur und „Durchrassung“ durch die „Flüchtlingsmassen“. Die „Deutschland den Deutschen“-Rufe des braunen Mobs fanden so ihre Umsetzung in etablierten Kreisen.
Fast täglich berichteten die Medien über die immer größer werdenden „Ströme“ von AsylbewerberInnen, die Deutschland „überschwemmen“ sowie alle „Dämme und Deiche“ niederreißen. Kohl proklamierte den „Staatsnotstand“. Die „Boot - ist - voll“-Metaphorik erlebte 1992 ihren Höhepunkt und knüpfte erfolgreich an bereits vorhandene Ressentiments in der Bevölkerung an. Einer der Höhepunkt dieser Kampagne war die Aktion des damaligen CDU-Generalsekretärs Rühe, der Musterpresseerklärungen an alle Kreis- und Ortsverbände der CDU verschickte, in denen das örtliche Flüchtlingsaufkommen zu einem Problem hochstilisiert wurde. Große Teile der Medien trugen diese Kampagne, die auf die Ängste um Wohlstand und Sicherheit anspielte, mit.
Beliebt war außerdem vor allem das Zahlenspiel mit der Diskrepanz zwischen Asylbewerbungen und Anerkennungsquote. Die Anerkennungsquote von 6,9 % (1992) bedeutete jedoch nicht, daß der Rest „Scheinasylanten“ waren. Abgeschoben wurden letztlich nur etwa 5 %. Das bedeutet: der größte Teil derjenigen, die Asyl beantragten, war auch nach der amtlichen Definition ein Flüchtling, entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) oder der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Sie fielen nur nicht unter den von Rechtsprechung und Verwaltung eng ausgelegten Begriff des „politisch Verfolgten“. 60 % aller Flüchtlinge bekamen wegen anderer Rechtsgrundlagen in der Bundesrepublik ein vorläufiges Bleiberecht.

Parallel zu dem Einfallsreichtum des bundesdeutschen Gesetzgebers begannen 1986 die Vorarbeiten für das sogenannte Schengener Abkommen der 6 europäischen Kernstaaten, deren Endziel für die Zukunft eine „Harmonisierung des Asylrechts auf europäischer Ebene“ war. Durch dieses Abkommen, von dem die europäische Öffentlichkeit nur zufällig erfuhr, sollte die Anzahl derer, die die „Freizügigkeit in Europa“ genießen, drastisch eingeschränkt werden, unter anderem durch Vereinheitlichung der Anforderungen für die Gültigkeit von Visa. Insbesondere sollten die Papiere nicht mehr von den Auswärtigen Ämtern der Schengen-Staaten in den Verfolgerstaaten ausgestellt werden, sondern von den Verfolgerstaaten selbst.
Flankiert wurde das Ganze durch Kontrollmaßnahmen, etwa das Schengener Informationssystem (SIS): dort sollte jede abgewiesene AsylbewerberIn gespeichert werden, um zu verhindern, daß ein zweiter Asylantrag in einem Schengen - Staat gestellt werde. Seit 1989 lancierten informierte Kreise, das deutsche Grundgesetz lasse eine Ratifizierung des Schengener Abkommens nicht zu; der subjektive Anspruch auf die Durchführung eines Asylverfahrens auf deutschem Boden konnte mit der Vorstellung kursorischer Prüfung und der Anerkennung der Verfahrensergebnisse, die durch andere Länder festgestellt worden waren, nicht so recht in Einklang gebracht werden. Europa fordere eine Grundgesetzänderung...
Was von Schengen I - zunächst als Pilotprojekt - für die Kernstaaten galt, sollte von den anderen europäischen Staaten nach und nach unterzeichnet werden. Nachdem Belgien dieses Verfahren gerügt hatte, mußten 1990 in Dublin erneute Verhandlungen stattfinden. Das Abkommen von Dublin schreibt den „Schengen-Standard“ gewissen Erweiterungen für alle europäischen Staaten fest.

Das Problem ist keines

Das vielbeschworene Problem existierte jedoch gar nicht oder hatte anders gelagerte Ursachen. So nahm die Anzahl der Asylsuchenden in Europa und in Deutschland seit 1980 zwar kontinuierlich zu, aber immer flieht nur etwa 1 % der weltweit Flüchtenden nach Westeuropa.
1989 ersuchten 121.000 Menschen in der Bundesrepublik Asyl, 1992 waren es 438.000, was gerade mal 0,5 % der Gesamtbevölkerung ausmacht (UNHCR-Report 1994). Andererseits verlassen jährlich etwa 600.000 Menschen die Bundesrepublik freiwillig.

Von Flüchtlingsströmen, die zu einer Überlastung der Kommunen führen, kann also die Rede nicht sein. Auch sind die sozialen Probleme, wie zum Beispiel Mangel an Wohnraum, nicht Ursache des Zuzugs von Asylsuchenden, sondern das Ergebnis einer völlig verfehlten bis inexistenten Wohnungsbaupolitik. Das strukturelle Problem, daß der Bund Staatsaufgaben - z.B. Sozialhilfe - auf die Kommunen abwälzt, hat ebenfalls nichts mit dem Zuzug anderer Menschen zu tun. Die Verwaltungsprobleme vor Ort werden durch ein unsinniges Asylverfahrensgesetz noch erschwert; auch dafür kann kein Flüchtling was.

Konsequenzen der Hetze

Die Ergebnisse dieser rassistischen Hetzkampagne ließen nicht lange auf sich warten. Die ständige Darstellung von Flüchtlingen als Bedrohung war eine der Ursachen für Gewaltexzesse gegen AusländerInnen, die ihren Höhepunkt in den Morden von Mölln und Solingen sowie in den Krawallen in Rostock und Magdeburg fanden und denen insgesamt mehr als 40 Menschen zum Opfer fielen.

Die bürgerlichen Medien nutzten diese Übergriffe, um nochmals den Unterschied zwischen (unerwünschten) AsylbewerberInnen und den „ausländischen MitbürgerInnen, die seit mehr als 20 Jahren hier leben“ deutlich zu machen. Insofern war es auch kein Wunder, daß die bundesdeutsche Lichterketten-Solidaritäts-Welle zur Weihnachtszeit und die Empörung der Volksseele erst nach dem Anschlag von Solingen begannen und nicht bereits 1991 mit der Ermordung eines Asylbewerbers aus Mozambique durch Rechtsradikale in Berlin.

Auch wurden die rassistischen Übergriffe nicht zum Anlaß genommen, Flüchtlinge ausreichend zu schützen, sondern eine Grundgesetzänderung zur Verschärfung bzw. Abschaffung des Asylrechts wurde immer heftiger eingefordert, da die Überfälle dem Ansehen Deutschlands im Ausland schadeten. Konsequenzen gab es folglich nicht gegen die TäterInnen, sondern nur gegen die Opfer.

Die de-facto Abschaffung des Asylrechts

Die Entwicklung zu dem Stand der Asylgesetzgebung heute vollzog sich in mehreren Etappen. Ein entscheidender Einschnitt fand bereits im Juli 1992 mit der Änderung des Asylverfahrensgesetzes statt. Konkret bedeutete dies die Unterbringung der Flüchtlinge in Sammellagern.
Der entscheidende Einschnitt, der die faktische Abschaffung des Asylrechts darstellt, vollzog sich im Mai 1993 mit der Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes.

Mit dieser Änderung blieb zwar das Asylrecht formal und unter Lippenbekenntnissen Bestandteil der Verfassung (Art. 16 a I GG). Gleichzeitig wurden aber auch die Möglichkeit seiner Beschränkung Bestandteil der Verfassung (Art. 16 a II - IV). Ein Recht auf Asyl hat nur noch, wer nicht über einen sogenannten „sicheren Drittstaat“ einreist; „sichere Drittstaaten“ sind einerseits alle EU-Staaten, andererseits sogenannte „Listenstaaten“, die der Gesetzgeber bestimmen kann.
Im Klartext: einem Flüchtling, der aus einem „sicheren Drittstaat“ einreist, ist die Einreise ohne wenn und aber zu verweigern. Als Begründung genügt die Feststellung, daß „dem Flüchtling aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat das Asylrecht nicht zusteht“. Die Einreise auf dem Landweg ist ausgeschlossen: Deutschland hat alle angrenzenden Staaten zu „sicheren Drittstaaten“ erklärt.
1995 konnte der Bundesgrenzschutz etwa 145.000 Menschen direkt an der Grenze zurückweisen. Von den insgesamt 17.000 Flüchtlingen, die aus einem „sicheren Drittstaat“ einreisen wollten und ihren Asylantrag dann - wie vorgesehen - vom Ausland aus verfolgten, wurde lediglich 26 die Einreise nach Deutschland gestattet. Letztendlich entscheidet demzufolge nicht der Fluchtgrund, sondern der Fluchtweg über das Recht auf Asyl in Deutschland.
Das Asylrecht steht auch keinem Flüchtling zu, der aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat kommt. In einem sicheren Herkunftsstaat gilt nämlich die Vermutung, daß dort keine politische Verfolgung stattfindet. Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten wird ebenfalls vom Gesetzgeber erstellt, der sich „normativ“ über die Sicherheit im Herkunftsstaat vergewissert („Konzept der normativen Vergewisserung“), indem er etwa mit den Repräsentanten der Verfolgerstaaten mal eben telefoniert und mit ihnen über die Sicherheit der Flüchtlinge plaudert. Die Einzelfallprüfung der Behörden wird durch den Gesetzgeber allgemeingültig - in der Regel aufgrund der Auskünfte des Auswärtigen Amtes im Verfolgerstaat - ersetzt. Ein solcher
Asylantrag ist „offensichtlich“ unbegründet; deswegen kann auch sofort abgeschoben werden. Die AsylbewerberIn kann höchstens versuchen, die Vermutung - daß sie in ihrem sicheren Herkunftsstaat nicht verfolgt wird - zu entkräften. Das gelang 1995 beispielsweise 13 AsylbewerberInnen aus dem „sicheren“ Ghana.

Für den Rest - diejenigen, die mit dem Flugzeug aus einem nicht-sicheren Herkunftsstaat einreisen - wird zunächst in dem sogenannten „Flughafenverfahren“ festgestellt, ob nicht vielleicht die Reiseroute einen Zwischenstop in einem sicheren Drittstaat beinhaltet hat. Denn dann hätte ja - unabhängig davon, ob es diese Möglichkeit tatsächlich gab - dort Asyl ersucht werden können; womit bewiesen wäre, daß ein Asylantrag „offensichtlich“ unbegründet ist.
Das Flughafenverfahren soll vor allem gewährleisten, daß die Flüchtlinge problemlos wieder abgeschoben werden können. Deshalb wird ein Verfahren durchgeführt, in dem darüber entschieden wird, ob die Einreise nach Deutschland gestattet werden kann. In der Praxis bedeutet dies eine Unterbringung in Sammellagern auf dem Flughafen, einem exterritorialen Raum, der noch nicht zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik gehört.

Bei Einreiseverweigerung folgt die direkte Abschiebung, die sich manchmal nur dadurch in die Länge zieht, daß das Herkunftsland - oder der Transit-Drittstaat - sich weigern, die Menschen „zurückzunehmen“. Innerhalb von drei Tagen kann gegen die Entscheidung des Bundesamtes am Flughafen ein Eilantrag an das zuständige Verwaltungsgericht gestellt werden - Rechtsbeistand oder DolmetscherInnen fehlen aber in der Regel völlig.

Weitere Aspekte der Asylgesetzgebung:

Der sogenannte „Asylkompromiß“ führte zu einer schlagartigen Abnahme der Anzahl der Asylsuchenden. Die Anerkennungsquote schnellte in die Höhe. Ein voller Triumph also für Kanther und Co, die sich weiterhin der Aufgabe widmen konnten, denjenigen AsylbewerberInnen, denen trotz aller Widrigkeiten die Einreise nach Deutschland gelungen war, durch repressive Maßnahmen ihr Dasein in Deutschland möglichst unerträglich zu machen. Im offiziellen Sprachgebrauch handelt es sich hierbei um Maßnahmen, die die Attraktivität des Fluchtlandes Deutschland mindern bzw. das Verfahren erleichtern oder beschleunigen sollen.
Die herausragenden Merkmale dieser repressiven Flüchtlingspolitik sind einerseits die sogenannten „Abschiebehaft“, die es ermöglicht, Flüchtlinge aufgrund des Verdachts, sie könnten sich ihrer Abschiebung widersetzen, bis zum konkreten „Rückreisezeitpunkt“ zu inhaftieren; die Höchstdauer kann 18 Monate betragen. Außerdem werden durch das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylBLG) Flüchtlinge weiter sozial deklassiert. Sämtliche Leistungen werden gegenüber SozialhilfeempfängerInnen gekürzt. AsylbewerberInnen müssen unterhalb dessen leben, was als Existenzminimum definiert ist.

Deutsche Asylgesetzgebung im Europäischen Kontext

Deutschland kommt aufgrund seiner geographischen Lage eine besondere Bedeutung bei der Errichtung der Festung Europa zu, da die deutsche Ostgrenze an verschiedene Staaten Osteuropas, über die ein Großteil der Flüchtlinge in die EU reisen, angrenzt. Das Ziel der EU, ein weitgehend flüchtlingsfreies Kerneuropa zu schaffen, hat notwendigerweise eine Sicherung seiner Außengrenzen zur Folge und damit auch ein restriktives Asylrecht in der Bundesrepublik.
Belegt wird dies durch die Tatsache, daß die Bundesrepublik als erster Staat der EU das Prinzip sicherer Staaten - gemeint sind die Drittstaaten und die Herkunftsländer - in sein nationales Asylrecht einbaute, nachdem diese Punkte auf der Londoner Konferenz der damaligen TREVI-Gruppe (heute: Rat Inneres und Justiz) noch gescheitert waren. Andere Staaten wie Frankreich haben diese Regelung mittlerweile übernommen.
An der Entstehung des Dubliner Abkommens (Erstasylabkommen) sowie Schengen II, in dem die Persönlichkeitsrechte vor allen Dingen von Flüchtlingen eingeschränkt werden, war Deutschland maßgeblich beteiligt. Damit wird das „One-chance-only“ Prinzip verankert, das Flüchtlingen nur einen einzigen Asylantrag in der EU erlaubt.
Hinter der anvisierten „Harmonisierung der Anerkennungspraxis“ verbirgt sich vor allem die Anerkennung ablehnender Entscheidungen. Folgen dieser restriktiven europäischen Asylpolitik sind Kettenabschiebungen von sicheren Dritt- in Viert - und Fünftstaaten, sodaß sich die Flüchtlinge - die durch eine unüberwindbare Mauer an den Außengrenzen der EU zurückgedrängt werden - auf einer ständigen Reise befinden („refugees in orbit“). Deutschland ist also der Vorreiter einer Harmonisierung des europäischen Asylrechts, welches für die Flüchtlinge katastrophale Folgen hat, und damit neben der Schweiz der Hardliner der europäischen Flüchtlingspolitik.
Mittlerweile arbeiten mehr als 20 Gremien auf zwischenstaatlicher / europäischer Ebene, die die Flüchtlingspolitik als Abschottungspolitik fern demokratischer Öffentlichkeiten und Kontrolle institutionalisieren. Die Offenlegung dieser Geheim-Gremien-Politik ist Voraussetzung für das Funktionieren einer europäischen kritischen Öffentlichkeit im Bereich der Asylgesetzgebung. Es darf nicht weiter dem Zufall überlassen bleiben, ob man/frau überhaupt etwas über europäische Maßnahmen auf dem Gebiet der Flüchtlingspolitik erfährt.
Einen besonderen Stellenwert haben die europäischen Informationssysteme, die unter anderem auch die „Durchsetzung“ des Asylrechts gewährleisten sollen. Das Europäische Informationssystem (EIS) und das Schengener Informationssystem (SIS) in Straßburg, das im Rahmen von Europol nach der Konferenz von Palma entstand, wird im Laufe der Zeit eine gigantische Datenmenge beinhalten, die neben den allseits beliebten Feindbildern „Drogen“ und „Organisierte Kriminalität“ auch zur Flüchtlingsabwehr genutzt werden.
So lassen sich auch die strengen erkennungsdienstlichen Behandlungen (AFIS) im deutschen Asylrecht erklären. Die europaweit verfügbaren Datensätze dienen dazu, direkt bei der Einreise die Angaben der Flüchtlinge zu prüfen und im Ablehnungsfall sofort die „Wendung“ herbeizuführen. Deutschland speist die meisten Datensätze in den europäischen Verbund ein.
Auch die Maastricht-Folgekonferenz 1996 hat sich der Flüchtlinge angenommen -oder besser: ihrer Entsorgung, außerhalb der „Festung Europa“. Denn die „Harmonisierung des Asylrechts auf europäischer Ebene“ bedeutet nicht etwa den Versuch, sich über materielle Grundlagen zu einigen, also etwa darauf, daß die Genfer Konvention in allen Ländern strikt angewandt wird, der Flüchtlingsbegriff der GFK zugrundegelegt wird und das Gebot, Flüchtlinge nicht in ihre Verfolgerstaaten zurückzuschieben („non-refoulement-Gebot“) des Art.33 GFK, von den europäischen Staaten ernstzunehmen ist. Vielmehr wird nur versucht werden, ein einheitliches Zuständigkeitsverfahren zu bestimmen.

Staatlicher Rassismus in der Bundesrepublik auf dem Höhepunkt

Organisierte Konstruktion: „krimineller Ausländer“

Flüchtlinge, die es nach den geänderten Asylbedingungen doch noch bis in die Bundesrepublik schaffen, werden stigmatisiert, ausgegrenzt und eben auch mit ganz bestimmten, ebenso konstruierten Kriminalitätsfeldern in Verbindung gebracht: herangeschafft werden die Flüchtlinge von Rumänen (“Schleuserkriminalität”), die Drogen werden von “Schwarzen” gedealt, die bosnische Mafia bescheißt das Sozialamt und die vietnamesische den Zoll. Und alle Ausländer zusammen arbeiten schwarz (!) auf dem Bau. Die Polizeiliche Kriminalstatistik, Argumentationsgrundlage der Fremden- und Kriminalitäts-Hysterie, wird systematisch um solche neuen “Phänomene” bereichert und mit den passenden “Ausländergruppen” verknüpft.

Kriegsschauplatz Ostgrenze: Bürgerwehren, massives BGS-Aufgebot, Laser, Hubschauber und Hunde gegen „illegale Grenzübertritte“

Der Bundesgrenzschutz (BGS) ist mit mehreren tausend Mann und Frau an der deutschen Ostgrenze präsent. Unterstützt von modernster Technik wie Laser, Nachtsichtgeräten, Fangschaltungen, Hubschraubern geht er seiner neuen Aufgabe nach: Verhinderung sogenannter “illegaler Grenzübertritte”. Nach dem Fall der Mauer wurde die Grenze zu Polen und Tschechien zur Kriminalitätsschleuse erklärt, die mit allen erdenklichen Mitteln kontrolliert werden muß. Was dazu führte, daß dies nunmehr die bestbewachte Grenze Europas ist, an der in jeder Woche einige “illegale Grenzübertritte” ihr Leben lassen müssen, weil sie in Lastwagen ersticken oder in der Oder ertrinken. Der BGS ist zudem zur Steigerung seiner Effizienz mit bislang klassischen Polizei-Aufgaben betraut worden. So darf er im “Hinterland” bis zu 50 km tief ermitteln, fahnden, zugreifen und verhaften. Aufgegriffene “Illegale” werden bis auf wenige Ausnahmen sofort über die Grenze verfrachtet oder in Abschiebehaft überstellt. Wie ernst es Innenpolitikern und BGS mit der besenreinen Grenze ist, zeigt auch die erst jüngst öffentlich gemachte Zusammenarbeit mit sogenannten Bürgerwehren, die sich in Eigeninitiative gegründet und bewaffnet hatten, um “ausländische Räuber” von ihrem Hab und Gut fernzuhalten, meistens aber mit ihren Schäferhunden nach untergetauchten Flüchtlingen fahndeten. Die Verfolgung “Illegaler” wurde und wird immer mehr ausgeweitet. In den Grenzregionen sind seit Monaten Gerichtsverfahren in Gang gesetzt worden, in denen Taxifahrer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie ohne Wissen Flüchtlinge weiter ins Landesinnere befördert hatten.

Illegalisierung von MigrantInnen

Den anerkannten Asylsuchenden und Flüchtlingen im Landesinneren ergeht es mittlerweile kaum besser. Dritt-Staaten-Regelung und die Bestimmungen über sogenannte “Sichere Herkunftsländer” führen logischerweise dazu, daß von ihnen rege Gebrauch gemacht wird. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, daß alle Asylverfahren zentral verwaltet, ist nun dazu übergangen, nicht nur sogenannte “offensichtlich unbegründete” Fälle abzuweisen, was für die Betroffenen meist Abschiebehaft + Abschiebung bedeutet, sondern in Anfechtungsklagen bereits anerkannte “Fälle” massenweise zu überprüfen und sie zu verpflichten, sogenannte “Abschiebehindernisse” nachzuweisen. In der Praxis bedeutet diese Beweislastumkehr: Kann der anerkannte Flüchtling aus den irakischen Kurdengebieten nur nachweisen, daß der irakische Staat in noch verfolgt, wird ihm die Anerkennung entzogen; es folgen Abschiebehaft + Abschiebung.
Grundlage für dieses feinsinnige Verfahren bilden die sogenannten “Lageberichte des Auswärtigen Amtes”. Diese werden von den Gerichten und Behörden, die mit Asylverfahren befaßt sind, zunehmend zur einzigen Entscheidungsgrundlage gemacht. Steht dort, daß staatliche Verfolgung nicht mehr beobachtet werden kann oder faseln Kinkels Beamte etwas von “inländischen Fluchtalternativen”, ist das Schicksal des Flüchtlings in aller Regel besiegelt. Denn wurde dem Flüchtling in der Vergangenheit wenigstens die Duldung zugesprochen, welche in kurzen Abständen regelmäßig erneuert werden mußte, soll auf Initiative der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Berlin nunmehr auch dieser Status aufgehoben werden, wenn der Flüchtling nicht bereit ist, “freiwillig auszureisen”. Wer illegal ist, bestimmt das Gesetz. Und dazu muß es eben immer wieder geändert werden.

„Anspruchseinschränkung“ - Streichung der Sozialhilfe für Flüchtlinge

Um die Abschiebeknäste verwaltbar zu halten und die Gerichte nicht zu überlasten, haben sich findige Sicherheitsstaatler - egal ob Sozialdemokraten, Unionschristen oder Ausländerbeauftragte - “Anreize für eine freiwillige Rückkehr” derjenigen überlegt, die zwar “ausreisepflichtig” sind, aus allen erdenklichen Gründen jedoch nicht abgeschoben werden können. Da 80% der gültigen Sozialhilfe, ausgezahlt in Naturalien + Taschengeld, angeblich einen gehörigen Anreiz zum Bleiben darstellen, muß dieser kurzerhand gestrichen werden. Am 6. Februar 1998 war es dann soweit: der Bundesrat signierte nicht nur den Großen Lauschangriff, sondern auch diese “Anspruchseinschränkung”. Allein die abstrakt unterstelle Möglichkeit zur Ausreise reicht also künftig aus, die Sozialhilfe und medizinische Unterstützung zu verweigern.
Kanzlerkandidat Schröder (SPD) ging dies nicht weit genug. Er forderte, allen illegal Eingereisten, und damit dank Drittstaaten- und Flughafenregelung fast allen Asylsuchenden, die Leistungen zu streichen.

Wer immer noch nicht “freiwillig” ausreisen kann oder will, für den sind übrigens Sammellager im Aufbau. Den Internierten wird dann Bargeld sowie medizinische Betreuung komplett gestrichen und sie dürfen regelmäßig nach “Geldvorräten” untersucht werden. Abgesehen vom Skandal der Internierung an sich schließt sich hier der Kreis: die Internierten werden um des Überlebens willen in die Kriminalität gedrängt, die wiederum medial inszeniert und mit weiteren sicherheitsstaatlichen Instrumenten (=Grundrechtseinschränkungen) “bekämpft” werden kann.

Unsere Position zum Asylrecht ist grundsätzlicher Art:

Es ist ein humanitäres Gebot, Menschen aufzunehmen, die auf der Flucht sind, unabhängig davon, wieviele Menschen dieses Recht in Anspruch nehmen.

Naturfreundejugend Berlin fordern:

Auflösung aller Abschiebeknäste

Flüchtlinge werden einzig und allein aufgrund von Verdächtigungen der Ausländerbehörden bis zu 18 Monaten inhaftiert. Ihnen wird vorgeworfen, sie könnten sich möglicherweise ihrer Abschiebung entziehen wollen.
Durch die ständige Neuerfindung von Abschiebegründen und Normen im Ausländergesetz, gegen die ein Flüchtling verstoßen kann - wobei ein Verstoß gegen die Norm bereits ein Grund zur Ausweisung sein kann - wird von der Abschiebehaft reger Gebrauch gemacht. Dies geschieht oft ohne mündliche Verhandlung und ohne eine schriftliche Übersetzung des Abschiebehaftantrages, der von der Ausländerbehörde gestellt wird.
Wir lehnen die Abschiebehaft grundsätzlich ab. Auch die Umsetzung ist aufs Schärfste zu verurteilen. Der Vollzug der Haft bleibt den einzelnen Haftanstalten selbst überlassen. Mangel an psychosozialer Betreuung, medizinischer Versorgung, Freizeitangebot und Rechtsbeistand sind allgegenwärtig. Die Konsequenzen: 13 Selbsttötungen von Oktober 1993 bis Juni 1995 und unzählige Selbst-Verstümmelungen.

Abschaffung des Europäischen Informationssystems und des Schengener Informationssystems

Seit 1995 werden in bislang ungekannter Größenordnung europaweit Datensätze zusammengetragen, die bereits von mehr als 40.000 Polizeidienststellen abgerufen werden können. Gespeichert werden hier Menschen, die aufgrund persönlicher Merkmale möglicherweise für die Begehung von Delikten in Frage kommen könnten.
Auch Flüchtlinge, die in einen Schengen-Staat einreisen und einen Asylantrag stellen, werden registriert. Neben Gesinnungsschnüffeleien im Inneren bedeutet dies eine Festigung der Außengrenzen der Schengen-Staaten. Für AsylbewerberInnen hat dies zur Folge, daß ein Großteil bereits an der Grenze zurückgewiesen wird und damit jede Chance verliert, sofern sich die Situation im Heimatland nicht grundlegend verändert, in einem anderen Schengen-Staat überhaupt einen Asylantrag zu stellen.
Der freie Zugang zum Fluchtland ihrer Wahl ist für Flüchtlinge jedoch schon deshalb nötig, da die Anerkennungspraxen im Bezug auf die Herkunftsländer unterschiedlich sind.

Umwandlung des rassistischen Staatsangehörigkeitrechts in Deutschland zumindest in das sog. Geburtsrecht

Das deutsche Staatsbürgerrecht führt die Staatsangehörigkeit auf eine „nationale Abstammungsgemeinschaft“ zurück. Deutsch ist, wer deutsches Blut in den Adern hat (= ius sanguinis, Blutsrecht). Dieses Nationenverständnis wirkt identitätsstiftend und formierend nach innen und ausgrenzend für alle, die durch diese Definition „die anderen“ werden. Für die als „fremd“ definierten Menschen hat diese Zuschreibung ernste und bisweilen tödliche Konsequenzen.

Keine Abschiebung von Flüchtlingen. Offene Grenzen für alle!

Kein Mensch flieht grundlos aus seiner Heimat. Den vielbeschworenen Asylschmarotzer gibt es nicht. Genausowenig gibt es bessere oder schlechtere, akzeptable und nicht-aktzeptable Fluchtgründe. Menschen, die vor Hunger, Armut, Umweltzerstörung oder Bürgerkrieg fliehen, müssen das gleiche Bleiberecht in Deutschland haben wie politisch Verfolgte oder Folterofper. Die Fluchtgründe sind vielfältig und nicht in eine Rangordnung zu pressen. Fluchtgründe dürfen nicht aus strategischen Gründen akzeptiert oder abgelehnt werden. Herkunftsland oder Fluchtweg dürfen nicht die für den Asylantrag maßgeblichen Kriterien sein. Die EWG-Verträge koppelten die Bewegungsfreiheit in den EG-Staaten zunächst an wirtschaftliche Komponenten. 1986 wurde in der Einheitlichen Akte von Helsinki in Abkehr von diesen wirtschaftlichen Kriterien die Freizügigkeit auch von Personen als Grundprinzip festgeschrieben. Diese Freizügigkeit muß für alle Menschen gelten, nicht nur für EU-Angehörige.Nicht zuletzt sind in den kapitalistischen Metropolen vorherrschende Produktions- und Konsumtionsweisen hauptverantwortlich für ökologische Zerstörung, Hunger und Armut im Trikont. Neben einem Asylgesetz, das Verfolgten Sicherheit gewährt, muß vor allen Dingen die Verhinderung von Fluchtursachen Ziel der Flüchtlingspolitik sein. Dies aber nicht in der aktuellen Gestalt einer imperialistischen Wirtschafts-, Außen- und Bevölkerungspolitik.